11.08.2013

Vereinigte Bundesländer von Österreich

Sich in die österreichische Gesellschaft integrieren heißt sich in eine US-amerikanische Gesellschaft zweiter Ordnung zu integrieren und von einem Blutsbund mit Ritualen geduldet werden, auf die man gerne verzichtet, die man aber zumindest qua Lippenbekenntnis toll finden soll und der man auf keinen Fall eigene Rituale zur Seite stellen darf, außer an designierten Kulturabenden progressiver Volksschulen, Pfadfinderlagern und in Broschüren. Es gibt keinen Grund für den Türken, diesen Pfad zu gehen. Ein Türke ist ein türkischer Bürger erster Ordnung. Kanzler Kohl, wie die neulichen Enthüllungen zeigen, schätzte das so ein. Der spielte nicht den Beleidigten, wenn seine Gastarbeiter ihrem Gastland keinen leidenschaftlichen Dank darbrachten (als ob dies deutsche Art gewesen wäre!), sondern erkannte den Unterschied zweier Kulturen an und glaubte, zumindest privat, an eine sinnvolle Grenze für die Minderheitsbevölkerung.
Inklusive Kohl hat kein »ernstzunehmender« Politiker öffentlich so gesprochen und lässt damit zu, dass der Pöbel weiterhin dem Irrglauben anhängt, ein Türke müsse sich integrieren in die Gastkultur. »Auch wir sind ein Volk erster Ordnung!«, sagt er. Der Türke soll Österreicher werden. Mitsingen soll er: »I am from Austria«, das Lied des österreichischen Plebschanteurs Wolfgang Fendrich, dessen Klimax in englischer Sprache verfasst ist, damit die amerikanische Gesellschaft erster Klasse weiß, welches Untervolk des Kapitalismus sich da zu Wort meldet.
Just diese »eigentliche« österreichische Nationalhymne traut sich nicht, in einer österreichischen, für die Umwelt fremden Sprache die Nation kundzutun.
Ein Volk, eine Gesellschaft, ein Staat wie Österreich ist für den Nationalisten – und das sind die meisten Leute, man kann bei diesem Thema nicht mit Internationalität à la Robert Musil daherkommen – stets bloß als angenehmer, drolliger oder gefährlicher Bastard zu betrachten, angenehm wenn aus ihm eine Erfindung zur Besserung der westlichen Welt entspringt, drollig wenn das Urvolk aus seinen Eigenheiten eine überregionale Ware herstellt (z.B. DJ Ötzi in deutschen Ländern; früher Arnold Schwarzenegger, nunmehr Christoph Waltz in der Filmwelt); gefährlich, wenn eine Abkehr vom westlichen Weg gewittert wird, z.B. wenn im Erblicken Jörg Haiders Erinnerungen an Hitler wachwerden (Heinz Christian Strache wirkt in dieser Hinsicht gefährlicher – erstens, weil er am Leben ist, zweitens, weil irgendwas an seiner Visage so gemein aggressiv rüberkommt, dass Haider im Vergleich dazu ein charmant-gefährlicher Mephisto ist, der linke Frauen feucht werden ließ. »Ich bereue mein Lebtag, ihn kein einziges Mal gewählt zu haben!«)
Es soll einmal ein Politiker auftreten, der Nationalist ist, aber gelassen: ein Österreicher durch und durch, der Türken nicht hasst, die EU gut findet, aber bei der Idee der »Vereinigten Staaten von Europa« seinen Most auf die Heurigenbank speit, weil er sich mit der Kleinheit und den schlecht exportierbaren Eigenheiten seines Landes abfindet und kein Leben lang den Anschluss an eine größere politische Einheit erstrebt (wie z.B. Niko Alm).