17.08.2013

Jean Jacques Rousseau Straße

Die neue Mariahilferstraße erlöst den Fußgänger endlich von der Pflicht, den Blick auf die eigentliche Welt zu richten. Der Siegeszug der Rousseauschen Urlaubsethik setzt sich in der banalsten Wirklichkeit, im eigentlichsten Alltag, in der typischsten, meistzitierten »Lebenswelt« durch: der Kahn, in dem Rousseau schwärmt und sich von der Mitwelt löst, ist in der Straße angekommen. Jeder darf in seinem imaginären Schiffchen über die Straße treiben.
Gestern wurden die Verkehrsregeln zur Fußgängerzone in Kraft gesetzt, Politiker der Grünen Partei stellten sich für einen Photoshoot stolz auf die Straße. Die triumphierende Verkehrsstadträtin Wiens und ihr »probeweises« Projekt. Freudig neben der 20 km/h-Markierung der Zone, in der Autos, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt sich »begegnen« dürfen. In einem Zeitungskommentar fragt jemand: Sollte sich die 20 km/h Zone nicht nach den Langsamsten richten, sind 20 km/h nicht noch immer zu schnell?
Eine politische Frage; die Schwesterfragen: Sollen in der Schule nicht die Besten sitzenbleiben, bis auch die Schlechtesten durch den Stoff sind? Sollen die Wiener sich nicht nach den Langsamsten auf der Mariahilferstraße richten, den Punks  und in ihren Autos herumhocken, anstatt irgendwohin zu wollen?