27.08.2013

Praxis vs. Vassilakou

Die Praxis wehrt sich. Neues von der Mariahilferstraße.
Die Busfahrer wehren sich frechlich, indem sie eine Riesenschleife ohne Anhalten um die Mariahilferstraße machen. Sie wollen aufzeigen, wie umständlich die Politik der Stadträtin ist, und werden ihr – schönes, schlichtes – Ziel erreichen: eine Überquerung der Mariahilferstraße, kein Befahren mehr durch aus dem Süden kommende 13A-Busse.
Die Berufsradler wehren sich gelassen: konzentriert auf ihre Arbeit, wie ich dieser Anekdote des (einfach gestrickten) Herzogs/Greenbergs »theophrastus« entnehme:

»Gestern in der Fuzo...
.....gehe zum ersten Mal auf der Strasse, als mich fast ein Radbote niederfährt-der Kerl hatte gut 50 Sachen drauf und sagte weder muh noch mäh ehe er hurtigst entschwand. Daraufhin wurde ich aufmerksamer und es dauerte keine 7 Minuten, bis der nächste Raser daherrauschte-mit Helm, Sturmbrillen und einem Outfit, dass man Angst bekommt. Ich-nicht schüchtern-rufe ihm zu, dass da Schrittgeschwindigkeit gelte; er zeigt mit den Finger,dreht den Kopf zu mir und brüllt

„ . . . . . .  a b e r  n e t  f ü r  m i -  I  b i n  i m  D i e n s t ! 

- und weg war er. Tja, ich denke, dass man sich wohl sehr bald die Bosse der Fahrradbotendienste vorknöpfen wird müssen- die müssen ihren Leuten klarmachen, dass Raserei in der Mahü kein Kavaliersdelikt ist und sehr bald empfindlich Geld kosten wird.«


Ich verleihe dem Fahrradboten den Titel Kurier des Jahres 2013Man soll ihm lebenslang seine Radverkehrsstrafen bezahlen. Man soll übrigens eine Fahrradstrafen-Versicherung gründen.
Dem Fußgänger und Tastaturhelden theophrastus wünsche ich, dass er seine brillante Aufmerksamkeit verlieren und ein bisschen schüchterner werden möge. Dann muss er sich über diese Schlimmheit da in der Welt keinen Kopf mehr zerbrechen!

Romananfang: Trottelmotto

In der traditionellen modernen Tiradenmanier verfasst, die ich im Alter von 14 Jahren erlernte, formell nichts Neues; und inhaltlich nichts Neues. Eine entspannende Schreibübung zum Abendausklang.

Es war eine vertrottelte Stadt. Der Pöbel Trottel, die Klein- und die Großbürger Trottel, die Regierenden Trottel, alle Einwohner seit Generationen Trottel, die Zuwanderer, wenn sie nicht, wie meistens der Fall, schon Trottel waren beim Zuwandern, sehr bald nach dem Zuwandern Trottel, integrierte Trottel, assimilierte Trottel, nicht integrierte Trottel. Alle zwei Jahrzehnte fragten die Regierungstrottel in ihren Trottelbesprechungen, was ihre Trottelstadt »ausmache«, und weil ihren Trottelhirnen, mit dem erwiesenerweise schlabbrigsten Liquor darin, dem beispielhaften Trottelliquor, nichts Gescheites einfiel, nichts Gescheites einfallen konnte, weil es ja Trottelhirne waren, volle Trottelhirne, erwachsene durchprogrammierte unveränderbare Trottelhirne, fragten sie die PR-Trottel ihrer Stadt, was man die Journalisten und die Stadtbeamten in ihre Programme und Applikationen reinschreiben lassen könne, was nach dem Reinschreiben mit dem Titel »Stadtimage« rubriziert und als Stadtimage publiziert werden konnte, was in der von den amerikanischen Trotteln programmierten Applikation namens »Trottelgerede« getwittert werden, und was auch gedruckt, und ausgeteilt werden konnte, und von den Trotteln angeschaut werden und weggeworfen werden konnte, damit die ärmsten Trottel eine Arbeit hatten, nämlich die Trottelzeitung mit dem trotteligen Stadtimage in einen Altpapiercontainer zu stopfen, damit sie Geld erhielten, damit sie bei einem Trottelimbiss ein Fleischgemisch bezahlen konnten, das sie essen mussten, weil sie hungrig waren wie ein Trottel.
Die PR-Trottel setzten sich zu einem »Brainstorming« zusammen, weil sie aus Erfahrung und Bequemlichkeit und aus standhafter jahrelanger Verrichtung ihres trotteligen Gewerbes wussten, dass beim »Brainstorming« die versammelte »crowd« eine Idee gebären würde, aufgezeichnet vom PR-Trottel, der an einer aufgestellten Platte stand, über die ein weißer Bogen Papier gespannt wurde, auf den die Ideen der Trottel niedergeschrieben, hingekritzelt, aufgemalt werden konnten. Was die PR-Trottel als Idee gebaren, eine simple Behauptung, gefiel keineswegs der gesamten Trottelrunde, und sie würde vielleicht nicht einmal einer Mehrheit der Rathaustrottelrunde gefallen haben, wenn sie eins zu eins von der Ideenplatte der Trottel per Trottelkurier ins Trottelrathaus geschickt worden wäre, aber die Trottel verwandten noch viele Tage darauf, den Satz von der Platte zu holen, ihn in einer anderen Schrift sich anzusehen, in dreihundert Schriften, und bei der trotteligsten Schrift angelangt, sagte der Ober-PR-Trottel, das zische, er sagte zwar nicht, es zische voll, weil er wusste, dass es nicht voll zische, aber er hatte sich vor fünf Wochen seinen neuen trotteligen 7er BMW, gemacht für den typischen 7er Trottel, gekauft und war knapp bei Kasse, jetzt rein das Girokonto betrachtet, sonst eh gut aufgestellt, aber der Auftrag des Rathauses musste prompt geliefert werden, und der musste nicht voll zischen, einfach zischen reichte, weil das Rathaus dann ja auch gar nicht so gut bezahlte wie andere Auftraggeber in der Trottelstadt. Dann wurden dem neuen Motto, dem »Claim« der Stadt, wie die Behauptung im Jargon dieser Fachtrottel hieß, vorne und hinten ein paar Seiten hinzugefügt und der Packen wurde geheftet, schön geheftet sagte der PR-Trottel-Boss, weil es gibt ja kein Leben außerhalb der Schönheit und folglich selbst für Trottel, oder gerade für Trottel, Schönheit im Leben, naja es wusste aber auch jedes Trottelkind, dass Schönheit ein Grundrecht der Trottel war. Das Produkt der PR-Trottel landete auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters der Trottelstadt. Die Trottelfinger blätterten. Das Trottelauge fand den »Claim«: »Wurz ist anders.«

24.08.2013

Radfahrgesetz

Zum Schutz der Schnelligkeit und Wendigkeit des Fahrrades:
als rechtlichen Beitrag zur Schaffung möglichst fließenden Stadtverkehrs:
zur Gewährleistung der freien Fortbewegung des selbstangetriebenen Bürgers:
stifte ich dieses Städtische Radfahrgesetz,
anwendbar als Bundes- oder Landesgesetz,
nebst Empfehlungen an eine wohlgewogene Regierung, die es, und weitere Maßnahmen, in Kraft setzen möchte.

§ 1
Es gilt die bestehende Straßenverkehrsordnung.
§ 2
Für den Verkehrsteilnehmer auf durch ihn selbst angetriebenen zwei oder drei Rädern gelten die in diesem Gesetz gewährleisteten Ausnahmen von dieser.
§ 3
Radfahrer müssen bei rotem Ampelsignal nicht zwingend halten. Sie dürfen rechts abbiegen, und sie dürfen nach wacher Beobachtung der momentanen Verkehrslage geradeaus weiterfahren oder links abbiegen.
§ 4
Bei rotem Ampellicht abbiegende oder weiterfahrende Radfahrer haben in jedem Fall Nachrang gegenüber Verkehrsteilnehmern, die grünen Signalen folgen, und haften bei Unfällen dementsprechend.
§ 5
Radfahrer haben ihre Geschwindigkeit bei rotem Ampellicht in jedem Fall zu senken, um die in § 3 dargelegte »wache Beobachtung« ausüben zu können.
§ 6
In Fußgängerzonen haben Radfahrer die Geschwindigkeit ihres Fortbewegens auf 25 km/h, und zwar nach eigenem Dafürhalten und ohne die zwingende Anwendung eines Tachometers, zu beschränken. Kontrollen der Polizei mit Radargeräten sollen allmähliche Gewöhnung sowie langfristiges Einhalten dieser Höchstgeschwindigkeit unter Radfahrern herbeiführen.
§ 7
Nach Übertretung der Geschwindigkeitsbeschränkung in Fußgängerzonen wird eine Geldstrafe von wenigstens 20 Euro auferlegt.
§ 8
Alle Geldstrafen, die Radfahrern auferlegt werden, werden in einen zu schaffenden Stadt-Radfahrfonds eingezahlt.
§ 9
Über die auf dem Gebiet des Radfahrens und öffentlichen Verkehrsraumes einzusetzenden Mittel des Stadt-Radfahrfonds entscheidet das Verkehrsamt der Stadt.
§ 10
Sämtliche nach Inkrafttreten dieses Gesetzes im städtischen Raum als öffentliche Verkehrsmittel eingesetzte Fahrzeuge für mehr als 20 Fahrgäste haben im Passagierraum oder an einer Außenseite des Fahrzeuges Platz und Sicherungsmittel zur Mitnahme eines Fahrrads zu schaffen.
§ 11
Die Anzahl der in oder an diesen Verkehrsmitteln transportierbaren Fahrräder hat wenigstens ein Zehntel der nominellen Fahrgastanzahl zu betragen.
§ 12
Radfahrer müssen nicht zwingend Helm oder sonstige Schutzmontur tragen. Doch aus Unfällen entstehende Entschädigungsforderungen sind von Beantragenden, Geforderten und Gerichten so zu behandeln, als ob in Straßenverkehrsordnung und Radfahrgesetz die Pflicht, wenigstens einen Helm zu tragen, vorgeschrieben wäre.
§ 13
Keine jegliche Befreiung von irgendeiner Steuerpflicht soll für Radfahrer in Kraft gesetzt werden.
§ 14
Radfahrer sind von der Vorschrift ausgenommen, dass bei Messungen höchstens 0,5 Promille der Fülle des Blutes eines Verkehrsteilnehmers Alkohol ausmachen dürfen, so sie bei einer Prüfung ihr allgemeines radfahrerisches Können, Fahrtüchtigkeit und Balancefähigkeit unter Beweis gestellt haben und zum Zeitpunkt der Alkoholmessung eine Beurkundung dieser Prüfung vorweisen können. Art der Prüfung und erstmaligen und gegebenenfalls zu erneuernden Beurkundung des Radfahrenkönnens eines Radfahrers sind vom Verkehrsamt zu bestimmen.
§ 15
In jedem Fall darf kein Radfahrer mit einer nachweisbaren Konzentration von mehr als 2,5 Promille Alkohol in seinem Blut ein Fahrrad besteigen.

Anmerkungen.
Der Radfahrer, die Radfahrer = Die Radfahrerin, die Radfahrerinnen.
Ausstattung eines Fahrrads: siehe die Straßenverkehrsordnung.
Aus Ungewissheit über die Gestaltung zukünftiger öffentlicher Verkehrsmittel wird kein Unterschied zwischen Sitzplatz und Stehplatz gemacht, die nominelle Fahrgastanzahl sei im Falle eines mit 20 Sitz- und 24 Stehplätzen ausgestatteten Busses: 24.
Die Vorschrift ist deutlich, und altmodisch, nach Art alter Gesetze: besteigen. Denn wer ein Rad besteigt, wird treten. Wer tritt, wird fallen. Der schwer Betrunkene fällt sehr früh.

Empfehlungen.
Keine Führerscheinpflicht für Radfahrer.
Hilfe bei der Finanzierung von Radfahrkursen in Volksschulen aus dem Radfahrfonds.
Prüfung des Könnens eines Radfahrers nach Einnahme von 1,5 lt Bier oder 0,75 lt Wein.
Bei Verhandlungen zur Kompromittierung vorliegenden Gesetzes »Rot-Regel« nicht fallenlassen, sondern in § 14 eingliedern.
Die Landesregierung der Stadt Wien möge dieses Gesetz anwenden;
Frau Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou, Herr Bürgermeister Michael Häupl.
Herr Christoph Chorherr, dies Gesetz ist die Lösung des Problems, ohne eine radikale zu sein.


22.08.2013

Die Spur des 13A

Der 13A ist ein effizientes Verkehrsmittel,
Das täglich tausende Fahrgäste befördert,
Er kreuzt an Einer Stelle die Mariahilferstraße,
Von der Neubaugasse kommt er,
In die Schadekgasse fährt er.
Oder von der Amerlingstraße kommt er,
Ein zwei Hauslängen tuckert er über die Mahü,
Dann biegt er in die Kirchengasse ab.
Wo soll er künftig fahren; fragen die Regierenden,
Und sie malen auf dem Asphalt,
Sie grübeln über Verkehrsregeln,
Sie sind Theologen.

Er bahnte sich seinen Weg,
Tag für Tag aufs Neue,
Durch die Häuserschluchten Wiens,
Auf wendige Art, zwar nicht leise,
Aber Die Stadt ist leise nie gewesen.

Oft schlief ich in der Kochgasse. Bei einer Frau.
Sie wohnte dort. Ich besuchte sie gern.
In der Früh donnerte der 13A vorbei,
Den Einen Kutsche, mir ein Wecker. Als Wecker ist
Den Einen ist des Radios glückliche Stimme lieb:
»Morgeeen!«, krakeelt Herr Kratky,
Ich liebe ihn nicht.
Ich liebe den 13A, im Nachhinein.

Am Wochenende wollt ich zum Herd der Mutter.
Jenseits von Wien, im Lande der Stürer.
Der 13A brachte mich zum Südbahnhof,
Geradewegs, schnurstracks, eine Spur,
Er schoss durch die Bezirke.

18.08.2013

Design zerstört Rückgrat

Wenn die Verkehrsstadträtin Wiens etwas Außergewöhnliches hätte machen wollen, als sie zur Vertreibung von Autos die Verstopfung der Mariahilferstraße mit postmodernen Jean Jacques Rousseaus plante, hätte sie die aufzustellenden Sitzmöbel mit Rückenlehnen ausstatten lassen sollen. Eine Einzelheit, die Sitzen bequem macht, das Rückgrat stützt, tausende Jahre lang erprobt und für okay befunden worden ist, aber zeitgenössischen Designern irgendwie Probleme bereitet; auf der ganzen Welt verschwindet die Rückenlehne. Das Rückgrat verkrümmt.

Vom Beichtstuhl auf die Straße

Warum schafft die deutsche Sprache nicht, ein Wort für verkehrszeichenlose Straßen, »shared space«, zur Verfügung zu stellen?
Schlimmer, als das englische Wort »shared space« zu benutzen, ist, dieses Wort ins Deutsche zu übersetzen, einsetzen zu wollen – »geteilter Raum«: was sey das?
Das Wort »share« ist durch den Siegeszug der neuen Vernetzungsprogramme im Web so selbstverständlich geworden, dass seine Herkunft unbeachtet bleibt: die Kirchen, die Anonymen Alkoholiker. Orte, wo schwache Menschen zusammentreffen, die etwas Trübseliges loswerden müssen. Dort wird »geshared«. Da darf man Kummer teilen, austeilen, verteilen. Die Gegenwartskunst hat solche Elendstreffen festgehalten: in Fight Club, der Romanverfilmung, tröstet der gesunde Hauptdarsteller sich an der Kortisonbrust eines Hodenkrebskranken. In Sabbath’s Theater, Philip Roths Roman mit dem meisten Analverkehr, geht eine Ehe zugrunde, weil die Frau von Treffen Anonymer Alkoholiker als unausstehliche geläuterte Sauberfrau nach Hause kommt, mit einer Vorliebe fürs »Sharen«. Philip Roths Zorn entzündet sich an solchem Seelenheilüberschwang:

And now that she was sober he hated her AA slogans and the way of talking she had picked up from AA meetings or from her abused women’s group, where poor Roseanna was the only one who’d never been battered by a husband. ... And those words she used! “And afterward there was a discussion and we shared about that particular step….” “I haven’t shared that many times yet….” “Many people shared last night….” What he loathed the way good people loath fuck was sharing.

Der »shared space« im öffentlichen Raum holt diese überzogenen Heilserwartungen auf die Straße, er schürt Hoffnungen. Vom Beichtstuhl in die town hall auf die Straße. Die Schwachen gehen jetzt auf die Straße in der Hoffnung, das »Sharen« des öffentlichen Raumes werde ihnen Trost und Mut geben. Die naivsten Werbefilme, die es in den 1950ern gegeben haben könnte, sollen Wirklichkeit werden – Autofahrer und Radfahrer, die einander zuwinken, einer eifriger als der andere den Vorzug gebend.
Übrigens, ist ein »geteilter Raum« vielleicht Tautologie?
There’s a gap in between, there’s a gap where we meet, where I end and you begin – dichtete bereits Thomasus Yorkus; geht man nach vor in der Geschichte literarisch oder musikalisch dokumentierter poetischer Äußerungen, wird man noch weitere so Wahrheitsstatements finden. Das Geteilte des Raumes kann mit dem »neuen« »shared«-Konzept demnach nicht gemeint sein, wenn er immer schon geteilt ist.
Auch das Aufgeteilte des Raumes erfährt durch Komplettumstellung auf gegenseitige Rücksicht (Verzicht auf Verkehrszeichen) keine krasse Änderung. An einer Kreuzung kommt Gefahr aus drei Richtungen, egal ob Verkehrszeichen dastehen oder nicht.
Und ist shared space ein innovatives wissenschaftliches Konzept? Ich finde nicht. Einer meiner Lehrer in der Fahrschule, ein simpler Schädel, der seinen Unterricht mit Witzen auf Kosten des weiblichen Geschlechts anzuckerte, sprach vom »geglückten Aneinandervorbeikommen« auf der Straße als dem eigentlichen Ziel des Fahrunterrichts. Vom Trottel ausgesprochen, aber wahr!
Ist es ein leicht umsetzbares Konzept? Naa. Im oben verlinkten Artikel wird von einer deutschen Stadt berichtet, die wegen zu hoher Kosten dieses Konzept nicht umsetzen habe können. Denn ein streng nach seinem Erfinder umgesetzter gesharter Space gehört nivelliert.
Wie immer in der Politik, muss die Umsetzung von kollektiv bindenden Entscheidungen mit einer Auszahlung öffentlicher Gelder verbunden werden. So kann die Verwirklichung des Konzepts an Budgetnot scheitern, obwohl eigentlich bloß Entfernung von Stangen und Ampeln notwendig wären sowie der Grips der Bürger. Die Farbe auf dem Asphalt wird verwittern.
Aber erst auf jenen Berater hört man, der nicht nur Abbau, sondern auch Umbau (eben die Straßenebnung) fordert, nicht nur Honorar für eine Vision, sondern auch räumliche Manifestation.
Ich bleibe in China, bis die Kommunisten mich rausschmeißen.

17.08.2013

Sonntagmorgen für alle. Täglich.

Christoph Chorherr macht in der Früh Fotos von der menschenleeren Mariahilferstraße. Dann postet er sie auf seinem Blog und statuiert: »Ist doch wunderbar.«
Wozu muss dieser seit neuem zur Fußgänger-, »Begegnungs«-, Stillstandszone (bzw. Jean Jacques Rousseau Straße) gemachte Boulevard noch herhalten? Für ein Menschenrecht auf tägliche ruhige fromme Sonntagmorgen?
Was ich gemacht habe, wenn ich vom Dasein eine Ruhe haben wollte: ich ging für das Idiotenblatt Österreich von Wolfgang Fellner jeden Sonntagmorgen Zeitungstaschen überprüfen. Damals hatte ich eine Freundin, mit der ich wunderbaren Geschlechtsverkehr hätte haben können, aber ich brauchte Geld, und sobald ich unterwegs war, überkamen mich Zufriedenheitsgefühle; es waren stille Morgen, die Straßen von Wien gehörten mir und meinem Rad: »ist doch auch wunderbar« lag mir auf der Zunge, im Herzen, in den Beinen. Ich hätte sagen können: Verweile doch, du bist so schön.
Aber mir fiele nicht im Traum ein, dieses private Vergnügen institutionalisieren, perpetualisieren, popularisieren zu wollen.

Jean Jacques Rousseau Straße

Die neue Mariahilferstraße erlöst den Fußgänger endlich von der Pflicht, den Blick auf die eigentliche Welt zu richten. Der Siegeszug der Rousseauschen Urlaubsethik setzt sich in der banalsten Wirklichkeit, im eigentlichsten Alltag, in der typischsten, meistzitierten »Lebenswelt« durch: der Kahn, in dem Rousseau schwärmt und sich von der Mitwelt löst, ist in der Straße angekommen. Jeder darf in seinem imaginären Schiffchen über die Straße treiben.
Gestern wurden die Verkehrsregeln zur Fußgängerzone in Kraft gesetzt, Politiker der Grünen Partei stellten sich für einen Photoshoot stolz auf die Straße. Die triumphierende Verkehrsstadträtin Wiens und ihr »probeweises« Projekt. Freudig neben der 20 km/h-Markierung der Zone, in der Autos, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt sich »begegnen« dürfen. In einem Zeitungskommentar fragt jemand: Sollte sich die 20 km/h Zone nicht nach den Langsamsten richten, sind 20 km/h nicht noch immer zu schnell?
Eine politische Frage; die Schwesterfragen: Sollen in der Schule nicht die Besten sitzenbleiben, bis auch die Schlechtesten durch den Stoff sind? Sollen die Wiener sich nicht nach den Langsamsten auf der Mariahilferstraße richten, den Punks  und in ihren Autos herumhocken, anstatt irgendwohin zu wollen?

12.08.2013

All my past and all my futures

Was unterscheidet Götter von Menschen?
Hörwunsch: Thom Yorke singt Hugo Wolfs Goethelied Grenzen der Menschheit; Dietrich Fischer Dieskau singt Radioheads Pyramid Song. Oder Hugo Wolf spielt mit Radiohead bei Pyramid Song den Klavierpart, und Phil Selway steigt in die Vergangenheit hinab und begleitet Hugo Wolf bei Grenzen der Menschheit mit dem Schlagzeug.

11.08.2013

Vereinigte Bundesländer von Österreich

Sich in die österreichische Gesellschaft integrieren heißt sich in eine US-amerikanische Gesellschaft zweiter Ordnung zu integrieren und von einem Blutsbund mit Ritualen geduldet werden, auf die man gerne verzichtet, die man aber zumindest qua Lippenbekenntnis toll finden soll und der man auf keinen Fall eigene Rituale zur Seite stellen darf, außer an designierten Kulturabenden progressiver Volksschulen, Pfadfinderlagern und in Broschüren. Es gibt keinen Grund für den Türken, diesen Pfad zu gehen. Ein Türke ist ein türkischer Bürger erster Ordnung. Kanzler Kohl, wie die neulichen Enthüllungen zeigen, schätzte das so ein. Der spielte nicht den Beleidigten, wenn seine Gastarbeiter ihrem Gastland keinen leidenschaftlichen Dank darbrachten (als ob dies deutsche Art gewesen wäre!), sondern erkannte den Unterschied zweier Kulturen an und glaubte, zumindest privat, an eine sinnvolle Grenze für die Minderheitsbevölkerung.
Inklusive Kohl hat kein »ernstzunehmender« Politiker öffentlich so gesprochen und lässt damit zu, dass der Pöbel weiterhin dem Irrglauben anhängt, ein Türke müsse sich integrieren in die Gastkultur. »Auch wir sind ein Volk erster Ordnung!«, sagt er. Der Türke soll Österreicher werden. Mitsingen soll er: »I am from Austria«, das Lied des österreichischen Plebschanteurs Wolfgang Fendrich, dessen Klimax in englischer Sprache verfasst ist, damit die amerikanische Gesellschaft erster Klasse weiß, welches Untervolk des Kapitalismus sich da zu Wort meldet.
Just diese »eigentliche« österreichische Nationalhymne traut sich nicht, in einer österreichischen, für die Umwelt fremden Sprache die Nation kundzutun.
Ein Volk, eine Gesellschaft, ein Staat wie Österreich ist für den Nationalisten – und das sind die meisten Leute, man kann bei diesem Thema nicht mit Internationalität à la Robert Musil daherkommen – stets bloß als angenehmer, drolliger oder gefährlicher Bastard zu betrachten, angenehm wenn aus ihm eine Erfindung zur Besserung der westlichen Welt entspringt, drollig wenn das Urvolk aus seinen Eigenheiten eine überregionale Ware herstellt (z.B. DJ Ötzi in deutschen Ländern; früher Arnold Schwarzenegger, nunmehr Christoph Waltz in der Filmwelt); gefährlich, wenn eine Abkehr vom westlichen Weg gewittert wird, z.B. wenn im Erblicken Jörg Haiders Erinnerungen an Hitler wachwerden (Heinz Christian Strache wirkt in dieser Hinsicht gefährlicher – erstens, weil er am Leben ist, zweitens, weil irgendwas an seiner Visage so gemein aggressiv rüberkommt, dass Haider im Vergleich dazu ein charmant-gefährlicher Mephisto ist, der linke Frauen feucht werden ließ. »Ich bereue mein Lebtag, ihn kein einziges Mal gewählt zu haben!«)
Es soll einmal ein Politiker auftreten, der Nationalist ist, aber gelassen: ein Österreicher durch und durch, der Türken nicht hasst, die EU gut findet, aber bei der Idee der »Vereinigten Staaten von Europa« seinen Most auf die Heurigenbank speit, weil er sich mit der Kleinheit und den schlecht exportierbaren Eigenheiten seines Landes abfindet und kein Leben lang den Anschluss an eine größere politische Einheit erstrebt (wie z.B. Niko Alm).

09.08.2013

Wohnen im Erdgeschoß

Foto: Wilhelm, 1774














Nach dem aller Wahrscheinlichkeit nach heute erfolgenden Konkurs der Schlecker-Nachfolgefirma Dayli kann man sich auf Umwandlung vieler der hinterlassenen Geschäftsräume in Wettbüros gefasst machen. Was okay ist, soll der Pöbel sein Geld in Spielautomaten reinstecken.
Aber aus kleineren Geschäftslokalen, die schon seit längerem leerstehen, sollen private Wohnungen entstehen, finde ich, dann sähen die Straßen nicht so öde aus, die Wohnungspreise könnten wegen erweitertem Angebot etwas fallen, und die Stadt Wien könnte Lorbeeren für politischen Realismus ernten: wir brauchen heute nicht mehr so viele kleine Geschäfte.

07.08.2013

Unhöfliche Höflichkeit

Die Rubrik »Sorry tut leid fuck you« ist ja am Verkommen! Sind die Leute auf einmal nicht mehr abstoßend? Nein, schon noch... krieg ich dieses Mail gestern: »Hallo, hoffe es geht gut.« RE: »Ja, es geht, mir zumindest, gut  danke der Nachfrage, fuck you! (Tut leidleider geile Antwort, sorry…) (aber letztlich selber schuld...

Sex Sonderwirtschaftszone

Eine kleine Yacht segelt auf die Diaoyu-Inseln zu. Die für zuständig sich haltenden Küstenwachen – Japans, Chinas und Taiwans – machen sich auf, die Besatzung zu überprüfen: Freund oder Feind? Sie nähern sich auf ihren agilen Mini-Schlachtschiffen gleichzeitig der Yacht, umzingeln sie. Die Küstenwachen können und wollen sich untereinander nicht verständigen, der Befehl jeder einzelnen Küstenwache wird als der souveräne und sofort zu befolgende erachtet, aus drei Megaphonen, in zwei Sprachen, kommt der wiederholte dringende Befehl: Kommen Sie heraus und weisen Sie sich aus.
Im Inneren der Yacht: »Fuck!« (ärgerlich, wg. des Befehls); »Aaaah, fuck me!« (leidenschaftlich); »Uaah ah uuuhh!« (ventilmäßiger Ausruf, damit der Ausrufende nicht vor Lust platzt); »Äääii ääääääii üääää!«; und crescendierend lustvoll: »fuck, fuck! fuck!! FUU-AAHH-CK!!!«
Nach ein paar Minuten: zwei nackte Frauen und zwei nackte Männer steigen auf das Deck heraus und zeigen ihre Ausweise: Han-Chinese, Volksrepublik China; Japaner; Japanerin (Äääii!); eingeborene Taiwanesin.
200 Jahre später einigen sich Japan und China (zu dem Taiwan als Provinz längst wieder offiziell gehört), die Inseln Fischer Islands zu nennen und darauf eine staatenfreie Sonderwirtschaftszone zu gründen – mit riesigen Hotels, die auf den ersten Blick abstoßend wirken, aber in ihrem Inneren finden Touristen die vielfältigste und hochwertigste jemals auf einem Ort versammelte Angebot von Prostituierten vor. Keine Visumspflicht, keine Steuer. Erträge stammen aus einer Schiffs- und Hotelzimmertaxe und kommen dem japanischen Fiskus und der Parteikasse der kommunistischen Partei Chinas zugute.

05.08.2013

Schmutzige Böden, made by Apple, BMW & Co.

Die chinesischen Böden werden nicht von irgendwem verschmutzt, nicht (nur) von kleinen Fabriken, sondern von den Konzernen, vermutlich zumindest.
Drei Brennpunkte:
Die Behörden untersuchen Zulieferer des Technologieunternehmens Apple im Westen von Shanghai, die mehr Schwermetalle als erlaubt in die nahen Flüsse leiten.
Die Behörden sträuben sich vor einer eiligen Baugenehmigung für die Erweiterung eines BMW-Werks in Tiexi 铁西 bei Shenyang, da im Geschäftsplan ungenügend klar dargelegt sei, wie in der Fabrik Abwässer entsorgt werden.
Die Behörden, wie ich von einem Freund weiß, haben für einige Tage das Werk eines europäischen Chemieunternehmens im Osten des Landes stillgelegt, da es auch hier zu (neuerdings) unerwünschtem Ausfluss schädlicher Stoffe in den Boden kam.

Ein chinesischer Beamter äußerte im Wall Street Journal: Was bringt es uns, in BMW-Limousinen herumzufahren, wenn wir dafür kein sauberes Wasser trinken können?

Abreagieren und Aufgeilen

M o b y  D i c k  fängt also damit an, dass der Erzähler genug vom öden Festland hat und aufs Meer will, und er merkt es daran, dass er rastlos auf der Straße herumzieht und den Leuten die Hüte vom Kopf schlagen möchte.
Was mich wieder einmal an die Hutfrage erinnert, von der ich im Jahr 2005 beim Lesen dieses köstlichen Aufsatzes im Spectator erfuhr, und die im Zusammenhang mit dem Anfang von Moby Dick sich so stellen lässt:
Gäbe es weniger Amokläufe, wenn wir Hüte trügen, so wie früher? Würden Amokläufer sich besser zu erkennen geben, wenn sie ein paar Tage vor dem völligen Durchrasten eine Spur abgeschlagener Hüte auf die Straßen zauberten, nach denen verwunderte und verärgte Herren sich niederbeugten; anstatt obskure, zum Mutmachen und Aufgeilen gedrehte Trailer-Videos ins Web zu stellen...