Wir hören vom Kreislauf des Wassers im Volksschul-»Sachunterricht«. Das Wasser fällt hernieder, auf Asphalt oder Erde; es verdunstet und sammelt sich in Wolken zu neuem Gusse oder es versickert und sammelt sich in unterirdischen Lagern. Von wo es aber »freilich« (würden Journalisten des Presschens besserwisserisch hinzufügen) irgendwann hervor in die Menschensphäre tritt: Als Bach, rinnend ins Meer; oder in der Form von Glas- und Plastikflaschen transportiert, uns tränkend. Sowohl aus dem Meere als auch aus unseren Körpern dunsten endlich wieder so viele Tröpfchen des Wassers empor, als zur Weiterführung des ewigen Kreislaufes nötig ist.
Wenn ich daher heute Morgen als braver Biedermann in der Krone den Text einer bezahlten Anzeige meines Lieblingssupermarktes »Hofer« lese; wohlwollend den vollbärtigen »Bio«-Manager Werner Lampert als meinen Herren und Meister identifiziere; seinen Appell vernehme, man möge »Wasser sparen«; darufhin mich der Bilder von dürren Kindern »Afrikas« entsinne; mein Gemüt sich verdüstern spüre (die Häufung des mürrischen Buchstabens »ü« zeigt es an); mich sodann frage: Wie kann ich helfen? wie kann ich meinem Herren gehorchen? wie kann ich das Kinderleide lindern? und wenn ich das Nahegelegte zu tun mir vornehme: »Wasser sparen!« –
dann hat das keinen Sinn. Es ist lächerlich. Es stimmt nicht. Man kann alleine bei der Wasserrechnung sparen. Jeder Liter Wasser, den ich nicht aus meiner Leitung lasse, staut sich in dieser; staut sich zurück; erhöht das Trinkwasserreservoir meiner Gemeinde (oder meines privaten Anbieters); verschlechtert die Qualität des Wassers (Story in brand eins) – aber es wird dieser Liter niemals das durstige arme Kindchen tränken. Das aufgesparte Wasser widerstrebt nicht seinem natürlichen, dem kürzesten Lauf; es dunstet nicht hin und fällt nicht dort ab, wo es dringend benötigt wird. Es gibt einen internationalen Abgas-Emissionenhandel, aber keinen Wasser-Nichtverbrauchshandel.
Lassen wir es fließen. Erfreuen* wir uns des Wassers, das der Zufall oder der Gott uns so gnädig bescheren.
Und für die Lösung des (sich ohnehin ent-präkarisierenden) Hungerproblems: finden wir – die klugen Naturwissenschaftler unter uns – angemessene Lösungen.
*Always water, the real thing: »Ich ziehe Orte vor, wo man überall Gelegenheit hat, aus fliessenden Brunnen zu schöpfen (Nizza, Turin, Sils); ein kleines Glas läuft mir nach wie ein Hund. In vino v e r i t a s : es scheint, dass ich auch hier wieder über den Begriff "Wahrheit" mit aller Welt uneins bin: – bei mir schwebt der Geist über dem W a s s e r . . . « (Nietzsche: Ecce homo, in: ders., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hg. v. G. Colli u. M. Montinari, München: DTV, 1999, Bd. 6, S. 281