Lese »Uniqlo Syndrome«, die
ungehemmten Feststellungen des Autors, Kensuke Kojima, entzücken mich, er wird ganz
miesepetrig angesichts der jungen Generation Japans, die dem Verlangen nach
Selbstverbesserung den Rücken kehre und in einen »sparsamen, niedriggradigen
Lebensstil« versinke und in einem »kindergartenartigen Gutfreundsozialismus«
Unterschlupf finde, während »their mentors have to care for them like
kindergarten children.«
Ihren scheinbar
unfreiwilligen Hedonismus fängt er haiku-lakonisch so ein: »buy
fashion easily after looking at pictures of them on mobile phones.«
So
eine Mischung aus betriebswirtschaftlicher Studie und schräger nominalistischer Kulturkritik, ohne die elendlangen Storys, die englischsprachige Journalisten
gerne drücken, kannte ich bislang nicht. Annähernd, von einer anderen Seite her, bei Houellebecq.
Gewand von Uniqlo kenne und kaufe ich seit mittlerweile drei Jahren, da in meiner Heimat Österreich noch kein Geschäft dieser Kette aufgemacht hat und ich in meinen Uniqlo-Jeans, Socken, Airism- und HeatTeach-Leiberln und, neuerdings, wunderbaren button-down-Polohemden mit Brusttasche relativ einzigartig dastünde. Stünde ich bloß dort, in der Heimat, da!
Ich weile ihrer fern. Dangling Man von Saul Bellow las ich, als ich 2012 in der Heimat der Ferne entgegenwartete; heute schmökere ich auf Elitepartner.at nach Gefährtinnen für die Zeit nach der Rückkehr nach Europa. Einerseits mache ich empirische Bestätigungen dessen, was ich 2008 bei Eva Illouz zum Thema gelesen hatte; andererseits kommt es mir normal vor, nun zu dieser Art der Partnersuche zu greifen. Im Grunde genommen sollten Elitepartner, Parship und Facebook Ein Netzwerk sein, aber die Restskrupel in der Gesellschaft sind noch zu groß. Mark Zuckerberg weiß das und wartet, aber ungeduldig.
Jedenfalls habe ich mich zwei Mal schon dabei ertappt, wie ich meine Freundin (die mit den Tritten) fragen will: »Da hat mich jetzt diese Vorstandsassistentin angeschrieben und ihr Foto freigeschaltet, die ich
ganz interessant finde, was denkst du?«
Irgendwie bin ich noch ein ganz furchtbarer, schwätzerischer Bub. Das Wort vom good-companion socialism trifft es vielleicht nicht, aber es hat Identifikationspotential. Ein Leben wie ein Schwimmflügel, es kommt immer diese Luft heraus, dann bläst man halt wieder rein. Und dann kommt die Luft wieder heraus.
Es würde mich nicht wundern, wenn das ganze nicht in einer Tragödie endet, sondern ebenso godotisch weiterklänge, wie es irgendwann einmal angefangen hat: Deeeeflation! Iiinflation. Deeeflation. Irgendwer hätte das damals abfangen und mir eine Ohrfeige verpassen müssen. Mein Mentor in der Jugendzeit hat es geahnt und es versucht, 1999, als er mich aus dem Zelt zerrte und zu einer nächtlichen Strafexpedition schleppte. Aber ich habe irgendwann angefangen zu weinen und da ist er weich geworden. Heute macht er, mein Vorbild, eine Coachingausbildung, genauso wie der Vorsitzende der Neos eine gemacht hat und der schreckliche Typ aus dem ORF, der seinen Kindern Kaffeetrinken verbat, damit sie auf härtere Drogen gar nicht erst kommen. Ja, der mit der Glatze. Der immer so tief sprach, dass sein Adamsapfel ihm auf der Speiseröhre kratzte.
Vielleicht hätte ich beim Fußballspielen im Garten, bei der Feier meines siebenten Geburtstags, nicht so frühfair das Angebot C.H.'s ablehnen sollen, in mein Team zu kommen.* Ich hätte mit ihm die Gegner aus unserem Garten schießen sollen.
Überhaupt ein Fußballprofi werden sollen. Das sind die berühmten Männer geworden, Zidane, Baloteli, Suarez. Zidane hatte diesen männlichen Abgang. Baloteli und Suarez mit ihren Transferauflagen und Spielsperren tragen die Ketten der Gesellschaft wie einen Schmuck, sie sind die schönsten unter uns Tieren. Manchmal kann man beobachten, wie sie ausbrechen. Dann lassen sie sich die Ketten wieder anlegen, aus Gnade. David Beckham ist ein Schoßhund.
Vielleicht hätte ich den Küchengesprächen bei uns daheim fernbleiben sollen. An eines kann ich mich erinnern, zwischen meiner alten Schwester und der Mama, vor elf Jahren vielleicht, in dem es um den Vater einer Schulfreundin ging, reicher und erfolgreicher Unternehmer, der immer zu seiner Exfrau lief und seinen Kummer über seine Neue ausplauderte.
Du bist nicht sicher, weil du schreibst, #andreassprechtl.
Das wenige, das ich in den letzten Jahren gelernt habe: unter einem Hemd trägt man ein Leiberl mit V-Ausschnitt (am besten eines aus Airism-Faser von Uniqlo), weil ein runder Ausschnitt, der unter dem offenen Hemdkragen hervortritt, egal in welcher Farbe, egal von welchem Amerikaner oder Deutschen getragen, bis zum Gehtnichtmehr Scheiße aussieht.
* modus probus humanusque praecox. Basierend auf dem Eintrag Fairness in: Neues Latein Lexikon. Bonn: Edition Lempertz, 1998