22.04.2012

Schöne neue deutsche Namen

Grimmhorst
Knurrbert
Schnurrfried
Kriegsieg
Ausharr
Brunzwart
Augentrost (via Goethe)
Knechtbert
Waldknecht
Futhild (fem.)
Surrhold
Wahndolf
Reinfahr
Futbert
Wirrhold
Frosthard
Rankhold
Schönhard
Heilfurz
Brunnquell (via Moritz)
Rechenknecht (vie Nietzsche)

16.04.2012

Ein Unzeitgemäßer in der Regierung?

Der arme Wissenschaftsminister Töchterle musste im Sonntagspresschen die Altphilologie schönreden.

Er schlug sich wacker, warf aber in einem wordrapartigen Nebengespräch fernab der Philologie mit drei Fremdwörtern um sich, die den Frechdachs der Nation, Claus Pandi, als er erwacht war, am Sonntagnachmittag dazu veranlassten, den Wissenschaftsminister zum »Sonderling« zu stempeln.

Das widerte die Feinsinnigen des Volkes an, wie jede Meldung Pandis, und sie feuerten zurück; auch ich. Subtil, rätselhaft und wundersam schrieb ich auf Twitter: »pandis aufgeblasene beschränktheit«.

Ich spielte auf die Art an, wie Pandi sich einerseits immer als zuvorderststehender »kleiner Mann« aufführt und seine Dummheit inszeniert, dann andererseits immer unterschwellig das harmlose, verspielte Kätzchen mimt, aber wie er im Endeffekt immer den Eindruck eines Trottels hinterlässt, und zwar, eben, eines großen, aufgeblasenen.

Dann legten die Feinsinnigen sich nieder und sahen fern, der Feinsinnigste unter ihnen aber, ich, zog noch einmal in die Aprilkälte hinaus und huldigte im Stillen dem Wissenschaftsminister: dem gestandenen Philologen!

Philologe sein, wie Nietzsche in seinen Fragmenten vermerkte, macht Einen immer zutiefst unzeitgemäß. Das wollen wir alle, und wir brauchen es.

Schade ist, dass im Lichte eines Claus Pandi bereits Töchterles harmloses Lateinlehrergeschwafel als unzeitgemäß erscheint.

Unsere Ignoranz den Chinesen gegenüber

Dem Pöbel hier ist es lieber, Bo Xilais Sohn studiert in Harvard und lebt dort in einer 2000 Dollar-Mietwohnung, als dass, aus einer freieren Volksrepublik, Tausende zu uns studieren kommen.
Ich selber bin mir noch im Unklaren, was ich von dem allen halte. Aber es ist total im Passieren gerade.

14.04.2012

Tisch als Gefäß der Heimat

“wenn ich in wenigen wochen nach china übersiedle, möchte ich als einziges ding den esstisch aus dem elternhaus mitnehmen, in ihm ist alles.”


Das mein erster Gedanke, als ich zu Ostern auf unserer Bank unter dem (herrgottlosen) Herrgottswinkel herumlungernd und mit Instagram mich spielend den Tisch mit seinen Kerben und seiner in die Jahre gekommenen Glätte fotografierte.
In dies Holz goss ich Tränen beim Aufgabemachen als Volksschüler. Als Gymnasiast breitete ich jeden Tag das Presschen und den Standard darauf aus, aß die Mahlzeiten meiner Mutter, die mit mir sprechen wollend am Tisch saß und mein Schweigen ertrug, ein Schweigen, das kein bäurisch-heroisches-gottfriedkellerhaftes Schweigen-als-Gesagthaben (Heidegger) war, sondern pubertäre Feigheit und Schüchternheit, geopfert um jämmerliche Leitartikel lesen zu können und Presschen-Kolumnisten, deren Lieblingswort »freilich« war.


Meine Weiber waren hier, sie aßen Müsli, stellten das Coca-Cola-Experiment mit mir nach, warteten auf mich wenn ich beim Anziehen trödelte, das nervöse Tippen ihrer Fingernägel hinterließ feinste Kerben, sie wollten nicht warten, sondern weg von diesem stillen Tisch und auf in lautes, alkohol- und rauchdurchdrungenes Getümmel. Aber manchmal, wenn das Haus leer war, wollten sie auf dem Tisch flachgelegt werden. Ich war prüde und führte sie auf die warmen Fliesen im Bad, ins Bett, oder ließ sie überhaupt gehen, verlor sie an Masturbation und Emanzipation und andere Männer mit anderen Tischen. Und einmal war sie prüde.
Meine Schwestern ärgerten mich, meine Faust wurde beim Aufschlag auf die zehn Zentimeter dicke Tischscheibe verletzt, dieser Tisch ist stärker als ich.
Die Kinder meiner Schwestern fahren mit türkisen Filzstiften in den Furchen herum, aber man schabt die Farbe erfahren mit einem langen Fingernagel ab, das Holz ist wachsig und weich unter dem Lack, der überall zersplittert ist und doch noch eine konsistent glänzende, scheinbar unverwüstliche Oberfläche bildet.
Kakao trank ich an diesem Tisch, meine Großmutter erzählte wie im Krieg Türen eingetreten und Menschen auf Dachböden erschossen worden waren, mein MacBook Pro stand hier drauf und diente als Werkzeug zur Herstellung einer Festschrift für meinen Vater, als er 50 wurde, im Jahr seines Ruins.


Das Reisekofferunternehmen Louis Vuitton soll Tische herstellen.

Hemd, T-Shirt, Filter

05.04.2012

Ölbergstunden

– Ein Gedicht von Martin Heidegger aus den 20er Jahren seines Lebens –

Ölbergstunden meines Lebens:
im düstern Schein
mutlosen Zagens
habt ihr mich oft geschaut.

Weinend rief ich: nie vergebens.
Mein junges Sein
hat müd des Klagens
dem Engel »Gnade« nur vertraut.

01.04.2012

Die bunten Gojim

Abgesehen von der tieferen Betrachtung Nietzsches, wonach an Gott zu glauben nunmehr geschmacklos sei:

Bei meinen sporadischen Messbesuchen, zu Weihnachten, Ostern, in bezahlten Totenandenkmessen der Verwandtschaft, muss ich sehen, dass es in der Kirche von Leuten mit schlechtem Geschmack wimmelt.
Da erscheint der Sport- und Religionslehrer eines Gymnasiums jahrelang in einer Trainingsjacke, auf der Trainingsjacke leuchten drei weiße Streifen, wir erfahren welchem Fußballverein er angehört und welcher Möbeltischler und Gastwirt diesen sponsern. Der Mann darf bei der Kommunion Hostien ausgeben, mit ernstem Gesicht legt er einem die Christusscheibe auf die Handfläche, powered by adidas.
Auch unter den Alten finden sich welche in Funktionsjacken aus Mikrofasern, von »Jack Wolfskin« oder »Northland«, sie sind rot gelb oder grün und sie sind wasserabweisend.

Heute am Palmsonntag begnügte ich mich mit der Fernsehübertragung aus Rom, der Papst wies darauf hin, dass der Mob heute Jesum stürmisch empfängt und in ein paar Tagen von Pilatus den Tod für ihn fordert. Ich aß Vollkornbrot und Semmeln mit Meersalzbutter und konnte mich der Frommheitssehnsucht nicht erwehren, die mich sporadisch ergreift (nicht nur an hohen Feiertagen), ich wollte unschuldig sein, weinen, an meine geliebten Großmütter denken, und das Singen eines Liedes sollte die Unschuld die Tränen und die Großmütter in Einem mir ins Gemüt treten lassen.

Die Kirchenmusik ist das mächtigste Mittel der von Nietzsche beschriebenen systematischen Zerweichlichung des Volkes.

Mir kam die Melodie von »Fest soll mein Taufbund immer stehen«, ein Gassenhauer, ich war traurig, dass ich in keiner Kirche mich aufhielt, wo ich mein Sehnen dem Gesangschwall der Kirchgänger beimengen konnte, der sich mit Weihrauch in die Höhe ergießt, so wie es bei Christian Kracht von oben nach unten schneit (in diesem Buch). Dank Christian Kracht schreibe ich in letzter Zeit mit diesen Flaubertschen, bloß von Beistrichen getrennten Hauptsätzen.

Ich ging auf YouTube und landete
bei diesem Video. Der Organist trägt eine schwarz-grüne Windjacke.

Jetzt gehe ich mit dem Hund spazieren, ich hüte das Haus meines Hund besitzenden Vaters, ich hoffe, dass der Teufel aus dem Beagle steigt und mir anbietet, einem ernsten, dunkeln, höchstens österlich-violetten Gottesdienst beizuwohnen.