01.03.2010

Staatlich subventionierter Geschlechtsverkehr

[why tagged »management«? because it's  b a d  management]

Staatlich subventionierter Geschlechtsverkehr in der Secession war total bieder. Durch den Eventcharakter lauter legitimierte spießige Spanner, die in ein verlassenes Séparée gucken... wo gerade einmal ein Paar, vermutlich ein angeheuertes, »das alte Rein-Raus-Spiel« betreiben.

Vor dem Darkroom eine Schlange. Jeder Drankommende reißt – durch das Gefühl berechtigt, dass er verdient, etwas zu sehen zu bekommen (denn er hat die Steuer gezahlt, mit der die Räumlichkeiten erhalten werden, und auch Eintritt [ich musste übrigens ich weiß nicht warum keinen Eintritt zahlen]) – mit Wucht den Vorhang auf... aber the supposed Buderkammer scheint eher eine leere Rumpelkammer zu sein. Nein, es riecht eh nach Kondom, Sperma und, wenn man sichs einbildet, Fut. Irgendwer hats dort bereits getan. Aber ich werde den Verdacht nicht los, das waren Leute, die in jedem Museum die Spezialattraktionen ausprobieren. Das sind die Langweiler »schlechthin«.

Sexy Kleidung sollte laut Element6-Hausordnung getragen werden, aber the most boring outfit of all, dunkle Hose, Hemd und Pullover, sind stark repräsentiert und überrepräsentiert ist das gleiche Grundoutfit nur ohne Pullover. Was die Frauen anhatten habe ich mir nicht gemerkt.

Wenn der Ironist Without Being a Liberal den gesellschaftlichen Hauptstrom verkörpert, darf man aber annehmen, dass die normalen Swingerclubs in Wien gerade einen Zustrom an Kunden verzeichnen. Denn nach der Enttäuschung in der Secession sezessionierte sich ich in den Tempel. Wo mir die Coaching- und Psychotherapie-artige (und eh auch nette) Einführung in Club und Thema zeigte, dass die ganze zweite Generation Swinger halt keine passionierten Privatkellerficker mehr sind, sondern Geschäftsleute, die ihre (zunächst als auftretendes Neues) Perversitäten (zu nennenden) normalisieren, ethisch durchstrukturieren (wäre für Foucault interessant gewesen, die Begrüßungslektion), kommerzialisieren, also kalifornisieren oder, wie dümmere Zeitgenossen undifferenzierter als ich sagen würden, amerikanisieren.

I.e. we mean business. Und wirklich: Angeblich haben die Element6-Betreiber das Tempel-Konzept (statt des altmodischen nackten Herumrennens mit Handtuch einfach sexy Kleidung tragen, Verkehrsknotenpunkte fürs Schnackseln freimachen) übernommen. Benchmark!

Dass in diesem Business Element6 zum Auftrag gekommen ist, eine Fickinfrastruktur in die Secession zu verlegen, verdankt sich demnach einer besseren Vernetztheit der Element6-Betreiber in der Welt. Wahrscheinlich kennt der Schweizer »Künstler« (wie man den Kurator völlig richtig populistisch schreiben muss) einen von Element6. Er macht dem Bumsmanager das Angebot, und der ist einverstanden: Denn es ist Werbung, man hofft, es dient dem eigenen zukünftigen Geschäft. Dem »Künstler«, weil er Post von Jeanné und Aufträge für die documenta 13 bekommen wird. Dem Club, weil mehr Gäste mehr trinken. Jeder Swinger-CEO hätte das Angebot angenommen. Und jeder Nischenanbieter freut sich, von dem Anschwellen des Mainstreams frustrierte Alteingefickte in Zukunft in seinem »Swingerclub ausschließlich für Erfahrene« willkommen zu heißen.

Erstes Fazit und logischer nächster Schritt des Sexweltgeistes ist, sich seiner Fähigkeit zu besinnen, überall ficken zu können. Daher ist alles Fickinfrastruktur. Daher, Ficker: budert im Billa, in der Straßenbahn, im Kaffeehaus, auf dem Hochzeitsbankett, beim Chinesen, im Swarovsky-Flagshipstore auf der Kärntnerstraße, in der Lobby des Hotel Adlon Kempinski, auf der Schönbrunner Schloßstraße etc.

Zweites Fazit ist eine Kunstkritik. Wenn bekanntermaßen alle Kunst dem Schoß der Wirtschaft entspringt, warum ist die Performance so mies? Die Wirtschaft hat in der Secession einen Fehler begangen: In der Hoffnung auf die Zivilfickcourage der Wiener hat sie zu wenige professionelle Ficker engagiert. Eine größere Masse an nackter Haut, Erektionen, penetrierten Muschis; eine etwas mehr von Stöhnen und Glitsch als von »cooler« Musik geprägte Tonatmosphäre; ein paar auf unbedarfte Touristen losgehetzte (im Vorhinein pauschal bezahlte) Huren – – alleine diese paar Geschäftsmaßnahmen hätten den einen oder anderen Bürger in Geilheit versetzt, die größer als zur-Schau-gestellte-Aufgeklärtheit gewesen wäre, und hätten so ein innovatives Sexfest geschaffen, das dem Ort Secession würdig ist.