sorry, ich muss mal schnell über euch lachen.
Ein Plädoyer gegen das unüberlegte Ausstoßen eines »Sorry« oder das Schreiben eines flotten »sry« würde moralisch und altmodisch klingen. Gegen den verbalen Schlag ins Gesicht »tut leid« hat »dag« oder »rau« schon irgendwann im Jahr 2003 oder 2004 einmal auf der Standard-Titelseite geätzt – ich erinnere mich, ich war damals Schüler und Standard-Leser und es war die letzte Standard-Glosse, die mir gefallen hat.
Ich liste hier einfach die geilsten Sorrys auf, die mir je untergekommen sind. (Und es ist mir ja irgendwie peinlich, dass mir gar so viele untergekommen sind; ich fühle mich minderwertig, wenn mir wer ein »Sorry« rüberschiebt. Egal!)
Arbeitskollege rülpst und sagt »Sorry«.
Ich frage einen Freund, ob wir Tennis spielen gehen, er sagt: »Heute eher sorry«.
Anderer Freund vergisst Tennistermin und antwortet per SMS mit einem Verzeihungs-Overkill: »Verdammt!! Hab vergessen dich zurück zu rufen! Sorry. Es geht sie heute bei mir leida net aus. Tut leid«
Eine Erstsemesterin bietet mir an, mir einen Platz in der Inskriptionsschlange freizuhalten und schreibt Stunden später, nachdem ich mich bereits anderswo durchgekämpft und alles erledigt, die aufdringliche Pseudohelferin aber nicht darüber informiert hatte: »Sorry!leider haben die leute dort mit 499 aufgehört und dann vor meiner nase die tür zugemacht!hätte dir geschrieben aber war so verärgert dass ich vergessen habe! lg«
»Sorry bin wieder spät dran.« Gibt's das auch als Vorlage?
»Sorr, hab schon wieder verschlafen. Soll ich noch nachkommen? Bräuchte 30 minuten.«
Ist fortzusetzen!
31.08.2010
30.08.2010
Chinesisches Radfahren (V)
Zusammenfassend zu dieser kleinen Serie kann ich sagen, dass Chinesen sich auf dem Rad auf a-professionelle, uneuropäische Art fortbewegen. Darunter ist zu verstehen: unergonomisch, Gelenke strapazierend, leistungsfeindlich, lethargisch, fließend, schwebend.
Es gibt im Westen kein chinesisches Radfahren. Das Freizeitradeln im Westen ist eine Synthese aus gemütlichem, mitunter chinesischem Radfahren, und dem professionellen Stil. Man wird im Gratismagazin velosophie Befürworter und Beschreiber eines gemütlichen Dahintrudelns finden, aber kein Plädoyer niedriggeschraubter Sättel. Man hat im Westen zu viel Profitradition, zu viel Technologie eingeatmet; man würde sich verstellen, würde man »chinesisch« radfahren.
Man müsste wider besseres Wissen den Sattel unausgefahren lassen, müsste O-beinig mit den Fersen anstatt mit dem vorderen Fuß Druck auf das Pedal ausüben, und müsste gegenüber Platten, verbogenen Speichen, gegenüber Überlegungen der Sicherheit (Licht, Helm) eine Ignoranz ausüben, die bereits eine Dummheit wäre.
Und so schwingt man sich auf gut hergerichtete (»servicierte«), gut bremsbare, nicht quietschende, passend eingestellte Räder, trägt einen Helm – und kann gar nicht chinesisch Radfahren.
Die Chinesen selbst werden das chinesische Radfahren »verlernen« und »aus ihm herauswachsen«. Ein Indiz dafür ist im Film Beijing Bicycle zu finden: Der Schüler Jian, der Radfahren liebt und gerne herumtrickst, hat in seinem Zimmer Poster von Profi-Rennradfahrern hängen. Vielleicht eine unglaubwürdige Requisite, denn Jian kauft sich ein Citybike und will eher tricksen als rennfahren.
Aber irgendwie ist dieses Poster nun einmal in den Film gelangt. Irgendwer hat – wohl unbewusst – gewusst, was es auszudrücken hat:
In dem Poster ist das chinesische Streben nach dem westlichen Leben verborgen; das Ideal einer modernen kapitalistischen Gesellschaft, die als Transportmittel motorisch betriebene Wägen verwendet und das Rad einer gezüchteten Klasse von Rennfahrern überlässt.
Wenn wir uns nach einem chinesischen Radfahren sehnen, wünschen wir das Gegenteil.
Es gibt im Westen kein chinesisches Radfahren. Das Freizeitradeln im Westen ist eine Synthese aus gemütlichem, mitunter chinesischem Radfahren, und dem professionellen Stil. Man wird im Gratismagazin velosophie Befürworter und Beschreiber eines gemütlichen Dahintrudelns finden, aber kein Plädoyer niedriggeschraubter Sättel. Man hat im Westen zu viel Profitradition, zu viel Technologie eingeatmet; man würde sich verstellen, würde man »chinesisch« radfahren.
Man müsste wider besseres Wissen den Sattel unausgefahren lassen, müsste O-beinig mit den Fersen anstatt mit dem vorderen Fuß Druck auf das Pedal ausüben, und müsste gegenüber Platten, verbogenen Speichen, gegenüber Überlegungen der Sicherheit (Licht, Helm) eine Ignoranz ausüben, die bereits eine Dummheit wäre.
Und so schwingt man sich auf gut hergerichtete (»servicierte«), gut bremsbare, nicht quietschende, passend eingestellte Räder, trägt einen Helm – und kann gar nicht chinesisch Radfahren.
Die Chinesen selbst werden das chinesische Radfahren »verlernen« und »aus ihm herauswachsen«. Ein Indiz dafür ist im Film Beijing Bicycle zu finden: Der Schüler Jian, der Radfahren liebt und gerne herumtrickst, hat in seinem Zimmer Poster von Profi-Rennradfahrern hängen. Vielleicht eine unglaubwürdige Requisite, denn Jian kauft sich ein Citybike und will eher tricksen als rennfahren.
Aber irgendwie ist dieses Poster nun einmal in den Film gelangt. Irgendwer hat – wohl unbewusst – gewusst, was es auszudrücken hat:
In dem Poster ist das chinesische Streben nach dem westlichen Leben verborgen; das Ideal einer modernen kapitalistischen Gesellschaft, die als Transportmittel motorisch betriebene Wägen verwendet und das Rad einer gezüchteten Klasse von Rennfahrern überlässt.
Wenn wir uns nach einem chinesischen Radfahren sehnen, wünschen wir das Gegenteil.
26.08.2010
»Bitte zurückbleiben!«
Via Armin Thurnher (Falter 34/10): Die Wiener Linien ändern die Bekanntgabe eine Station verlassender Ubahn-Züge von Sssugfeadapp (written by Armin Thurnher) auf »Bitte zurückbleiben«. Thurnher bemerkt die melancholische Zweideutigkeit des Satzes und macht ein simples "Bitte nicht mehr einsteigen!" schmackhaft.
Ich finde beide Varianten ungeeignet. »Zug fährt ab!«, das war eine unaufgeregte Ichbotschaft. Kein Befehl. Man frage seinen Lebensberater, was dem modernen Menschen besser passt.
Ich finde beide Varianten ungeeignet. »Zug fährt ab!«, das war eine unaufgeregte Ichbotschaft. Kein Befehl. Man frage seinen Lebensberater, was dem modernen Menschen besser passt.
25.08.2010
Poetische Prosa (I)
In dieser Serie sammle ich Sätze, die in prosaischer Umgebung hervorleuchten. Ich entnehme sie Zeitungen, Büchern, der Fernsehwerbung, und gebe Ihnen die Form eines Gedichtes.
“I look at the wind on the trees. I watch the swimmers go back and forth,” Mr. Colley said. “I usually come here to clear my head.” Mr. Colley wird vom Autor der New York Times geschickt als der ruhige, das Leben betrachtende Held an das Ende der Story gesetzt: Es geht, im Rahmen einer Serie, um die Leidenschaft des digitalen Menschen, freie Zeitlöcher mit Fernsehkonsum, Telefonaten, Apps und Games zu stopfen. Das Zitat in zwei Verse formiert:
I look at the wind on the trees.
I watch the swimmers go back and forth.
Und leicht modifiziert, um das Formgesetz des Haikus zu erfüllen (zumindest in seiner abstraktesten Forderung: fünf Silben, sieben Silben, fünf Silben; ungeachtet möglicher Zäsurverbote):
I look at the wind,
on the trees, and the swimmers
going back and forth.
Wem das zu cheesy ist, der lese den ganzen Artikel. Da kommt der Spruch dann ohnehin am besten raus, als poetische Prosa.
“I look at the wind on the trees. I watch the swimmers go back and forth,” Mr. Colley said. “I usually come here to clear my head.” Mr. Colley wird vom Autor der New York Times geschickt als der ruhige, das Leben betrachtende Held an das Ende der Story gesetzt: Es geht, im Rahmen einer Serie, um die Leidenschaft des digitalen Menschen, freie Zeitlöcher mit Fernsehkonsum, Telefonaten, Apps und Games zu stopfen. Das Zitat in zwei Verse formiert:
I look at the wind on the trees.
I watch the swimmers go back and forth.
Und leicht modifiziert, um das Formgesetz des Haikus zu erfüllen (zumindest in seiner abstraktesten Forderung: fünf Silben, sieben Silben, fünf Silben; ungeachtet möglicher Zäsurverbote):
I look at the wind,
on the trees, and the swimmers
going back and forth.
Wem das zu cheesy ist, der lese den ganzen Artikel. Da kommt der Spruch dann ohnehin am besten raus, als poetische Prosa.
Was ich gerne gepostet hätte
Ich möchte einen Menschen mit Kommentierprokrastination kennen lernen. Das wäre ein "Seelenverwandter"... einer, der gerne posten würde - aber zu grübeln beginnt... und es nicht tut! Bei mir fing es heute gleich deftig an:
Zuerst leikte ich das Foto eines Albumcovers, um damit an einem Gewinnspiel von Theyshootmusic teilzunehmen. Eine Hand hält auf dem Foto das Album in die Höhe; der klammernde Daumen wölbt sich, wie meiner es nicht kann und wie ich es schon in der Volksschulzeit an Kameraden und Mädchen sah und beneidete. Natürlich will ich jetzt posten: "Beautiful thumb. I like!" Denn ich würde ja auch Ironie mit diesem Post generieren; "i like" heißt auf Ikonisch: [thumb up]. Ich liebe es, wenn die Menschenideen und -produkte -- d.h. der körperliche Daumen, seine ästhetische indie-style Abbildung, seine Placierung neben dem ikonischen Facebook thumb -- so nah beieinander sind, dass es funkt im Hirn! -- Aber ich trau mich nicht kommentieren!
Dann lese ich den Post einer Bekannten, Klara*, die ein Haus renoviert hat und sich nun der Vollendung, [d.h. aber immer: dem Anfangsstadium der Wahlverwandtschaften-Erlebnisstruktur des Menschen!] nähert:
"...Erlebt gerade ein neues Wohngefühl mit Klotüren und so... :-)"
O wie viel mir dazu einfällt! Gerne hätte ich geschrieben:
"Ich lasss immer offen, wenn ich alleine bin, weil ich dann hinaus in die Küche sehen kann. Der mich umgebende Raum weitet sich aus, der Blick des auf dem Abort Sitzenden, traditionell ein neugieriger Explorer, bekommt ein noch größeres Angebot an zu Schauendem, zu Bewertendem, zu entdeckendem Kleinen geboten. Geiles Wohngefühl halt ;)"
Aber wie wird dieser "Kommentar von einem anderen Stern" ankommen?
Dann das:
"hat gott auf mich geschissen oder warum lass ich dich gehen. Ich liebe sie so sehr. Ich will nicht das sie weg geht von mir ; ( ; ( ; ("
Wie er die Smileys tanzen lässt! Wie er die Verzerrungen, das Zucken seines Schmerzengesichtes in Buchstaben setzt! Ich möchte ihm gratulieren, ganz simpel - mit einem "I like". Aber das altbekannte Problem tut sich auf: Mag man den auf die Wirklichkeit verweisenden "Tatbestand" ["Inhalt"!] der Meldung oder die Meldung als Literatur, oder die Meldung als Lebenszeichen ("Ich mag, dass du jetzt gerade über dein Handy diese Meldung verfasst.")
Auf der "Zeit im Bild"-page in Facebook streiten die armen User sich bei jeder Unglücksmeldung darüber. Diejenigen, die Babymorde und Flugzeugabstürze leiken, werden zerfleischt. Aber auch diejenigen, die das Leiken erklären (z.B. leikt man, um die Debatte zu verfolgen), werden zerfleischt!
Das "Philosophische", das Konstruierte, Überlegte, nicht-ontische, es wird gehasst. Es sind die einzigen "peinlichen Einträge".
Lieber Kommentare nicht auf Facebook posten, sondern hier zusammentragen, an diesem verborgenen Ort. Verborgenes Feuer!
* Anfangsbuchstabe wurde vom Autor geändert
Zuerst leikte ich das Foto eines Albumcovers, um damit an einem Gewinnspiel von Theyshootmusic teilzunehmen. Eine Hand hält auf dem Foto das Album in die Höhe; der klammernde Daumen wölbt sich, wie meiner es nicht kann und wie ich es schon in der Volksschulzeit an Kameraden und Mädchen sah und beneidete. Natürlich will ich jetzt posten: "Beautiful thumb. I like!" Denn ich würde ja auch Ironie mit diesem Post generieren; "i like" heißt auf Ikonisch: [thumb up]. Ich liebe es, wenn die Menschenideen und -produkte -- d.h. der körperliche Daumen, seine ästhetische indie-style Abbildung, seine Placierung neben dem ikonischen Facebook thumb -- so nah beieinander sind, dass es funkt im Hirn! -- Aber ich trau mich nicht kommentieren!
Dann lese ich den Post einer Bekannten, Klara*, die ein Haus renoviert hat und sich nun der Vollendung, [d.h. aber immer: dem Anfangsstadium der Wahlverwandtschaften-Erlebnisstruktur des Menschen!] nähert:
"...Erlebt gerade ein neues Wohngefühl mit Klotüren und so... :-)"
O wie viel mir dazu einfällt! Gerne hätte ich geschrieben:
"Ich lasss immer offen, wenn ich alleine bin, weil ich dann hinaus in die Küche sehen kann. Der mich umgebende Raum weitet sich aus, der Blick des auf dem Abort Sitzenden, traditionell ein neugieriger Explorer, bekommt ein noch größeres Angebot an zu Schauendem, zu Bewertendem, zu entdeckendem Kleinen geboten. Geiles Wohngefühl halt ;)"
Aber wie wird dieser "Kommentar von einem anderen Stern" ankommen?
Dann das:
"hat gott auf mich geschissen oder warum lass ich dich gehen. Ich liebe sie so sehr. Ich will nicht das sie weg geht von mir ; ( ; ( ; ("
Wie er die Smileys tanzen lässt! Wie er die Verzerrungen, das Zucken seines Schmerzengesichtes in Buchstaben setzt! Ich möchte ihm gratulieren, ganz simpel - mit einem "I like". Aber das altbekannte Problem tut sich auf: Mag man den auf die Wirklichkeit verweisenden "Tatbestand" ["Inhalt"!] der Meldung oder die Meldung als Literatur, oder die Meldung als Lebenszeichen ("Ich mag, dass du jetzt gerade über dein Handy diese Meldung verfasst.")
Auf der "Zeit im Bild"-page in Facebook streiten die armen User sich bei jeder Unglücksmeldung darüber. Diejenigen, die Babymorde und Flugzeugabstürze leiken, werden zerfleischt. Aber auch diejenigen, die das Leiken erklären (z.B. leikt man, um die Debatte zu verfolgen), werden zerfleischt!
Das "Philosophische", das Konstruierte, Überlegte, nicht-ontische, es wird gehasst. Es sind die einzigen "peinlichen Einträge".
Lieber Kommentare nicht auf Facebook posten, sondern hier zusammentragen, an diesem verborgenen Ort. Verborgenes Feuer!
* Anfangsbuchstabe wurde vom Autor geändert
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