19.11.2015

Pollock-Parks


SPÖ und Grüne in Wien vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag die Verbindung von Parks mittels Alleen und Grünstreifen zu »linearen Parks«.
Ich erzählte es heute Camillo Sitte und vernahm seine erwartbaren Einwände. Die linearen Parks verstießen gegen seine Regeln: Alleen nur da zu pflanzen, wo sie notwendig seien, etwa entlang von Landstraßen durch staubige Felder, wo ihr Nutzen ihre Langweiligkeit übertrumpfe. Und Stadtgrün sparsam zu setzen, damit es nicht überall zu einem Dorn im Auge werde. Stadtgrün verdecke Bauwerke und trage zu guter Luft so wenig bei wie ein Babyfurz zu schlechter.
Schon lange hasse er die Stadt, die Häuserblöcke, die gigantischen Kreuzungen, offenen Parks. Die Farbtupfen »namens Parkanlagen« nun mit Pinselstrichen miteinander verbinden zu wollen sei ein bedauernswertes, seit langer Zeit von ihm vorhergesehenes Unternehmen; die Politiker Amateure, die sich in Schüttkunst versuchten und in der Hoffnung auf einen Geniestreich à Pollock so lange Farbkleckse verwischten, bis ein Bildnis wie von schlecht Verdautem zu Tage liege.
Ein Strauch mit Blüten in einer Stadtstraße – das genüge, oder ein andermal ein Blick zum Himmel, zu einem grauen Himmel, gegen den ein Vogel fliege. Hier wandte ich ein: Gottfried Benn habe das geschrieben. Sitte sagte: Wer ist das.

08.11.2015

Entwicklungsland Mariahilferstraße

Mit der Stilllegung von Straßen und der Zuteilung des gewonnenen Raumes an Gehende und Sitzende versperren die Grünen in Wien der Weiterentwicklung des Individualverkehrs den Weg.

Auf der Mariahilferstraße gab es früher zwei Fahrradstreifen und auf diesen größere Bewegungsfreiheit für Radfahrer als in der neuen Begegnungs- und in der Fußgängerzone. Da war Eine Bahn – respektiert von Autofahrern und Gehenden. Frei zur Entfaltung des Vorwärtsdranges. Radeltest du gemächlich, mussten schnellere Radfahrer hinter dir, analog zum Autofahren, sich gedulden und auf eine Überhol-Gelegenheit warten. Diese bot sich im ohnehin stockenden KFZ-Verkehr und an Ampelkreuzungen oftmals. Schnelle Radler kamen schneller und gemütlicher vom Europaplatz zur Hofburg, gemächliche gemächlicher und immer noch schnell.
Heute herrscht ein Durcheinander »freier« menschlicher Bewusstseinssysteme, die alle ihrer Wege gehen. Es gibt mehr sich kreuzende Wege als zuvor, und Radfahrer müssen sich mit jeder Befahrung aufs Neue Ordnung schaffen.
 
Es geschah, dass ich einem Fußggängerpaar auswich und einen von hinten kommenden Radfahrer am Fortkommen auf seinem imaginären Weg behinderte.
Aufpassen! knurrte er. 
Ich bat um Verzeihung. Ärgerte mich sofort darüber. Wozu die Untertänigkeit? Einen Zusammenprall hätte er verantworten müssen, weil Auffahrunfall: Auffahrender schuld. Die Regel ist aber außer Kraft gesetzt!
Es beginnt bei den Gehenden. Die gehen. Und ihr Recht dazu gilt nun auf der gesamten Fläche der Mariahilferstraße. Sie üben es aus, manche rücksichtslos, schwierig zu polizieren.
Dann komme ich dahergerollt – keine Rede mehr von permanentem Durchtreten der Pedale – und weiche den überall kreuzenden oder fortwärtsschlängelnden Gehenden aus: und zwar zugegeben ohne zu beachten, was hinter mir geschieht: das Radfahr-Äquivalent zum Seiten-Spiegel-Seitenblick ist ausgeschaltet. Sind ja keine (besonders schnellen) Autos zu beachten.
Hinter mir jedoch der Radfahrer »verhandelt sich seinen Weg« (wie es in der englischen Sprache hieße) über eine auch für ihn »freigeschaltete«, grenzenlose Fläche mit beliebig wählbarer Route. Für ihn ist ausgeschaltet die Regel, dass er Langsame vor ihm verschonen muss. Wenn ihm nunmehr etwas in die Quere kommt, ist er wütender, als er früher auf dem Radfahrstreifen der alten Mariahilferstraße je hätte sein dürfen.
Eine Kettenreaktion der Rücksichtslosigkeit!
Der Raum der Radfahrer wurde enteignet. Früher hatten sie ihren Streifen, ihre Bahn; heute Öffentlichkeit, »Begegnungszone«, Umständlichkeit. Wie in einem Entwicklungsland geht es zu, seitdem die Grünenauf das »Reset« des Städtebaus drückten. Es ist besser, auf ein Entwicklungsland hinabzublicken und es spannend zu finden, als in einem zu leben. Auf tabula rasa folgt die Neuschaffung von Regeln. Hierbei scheint mir die Vielzahl der Fußgänger, unter demokratischen Bedingungen, im Vorteil zu sein.

06.11.2015

Instagram Laterpost


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Am 26.10.2018:
Dann bin ich geschockt, dass meine geniale Instagram-Serie „Die Gemächte“, entstanden an einem einzigen Tage in Shanghai, seit 6.11.2015 im Blogger-Entwurfsmodus liegt und nicht hier „veröffentlicht“ worden ist. Na dann hier ist sie, und ich merk die Links funktionieren eh nicht mehr:

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Das Gemächt des Körpers.
Das Gemächt des Willens.
Das Gemächt der Musik.


Lanka Coffee, the Römerquelle

Hat sich der Römer aus dem Römerquelle-Markenzeichen nach Ningbo in der VR China und aufs Leuchtschild eines Kaffeehauses, wer weiß ob nicht auch auf die Servietten und Tassen verirrt: ich überlege seit zwei Jahren, ob ich dem österreichischen Mineralwasserabfüller und -vermarkter aus dem Cocacolakonzern diesen Fund aus meiner Zeit dort mitteilen soll. 
Aber die werden das entweder herausgefunden haben und befassen sich schon mit dem köstlichen chinesischen Urheberrecht, oder sie finden es innerhalb der nächsten Jahre heraus; nach Ningbo kommt man bald einmal.
(Steckt vielleicht ein chinesischer Mitarbeiter Coca Colas hinter dem Markendiebstahl? Ich saß einmal zehn Stunden lang in einem Bus auf dem Weg nach Ningbo hinter einer chinesischen Coca-Cola-Marketingmitarbeiterin Ende 20, die ihrem norwegischen single-serving Sitznachbarn zu Beginn ihrer Konversation, ihre Hobbys betreffend, Sex als ziemlichen favorite nannte. Die war vielleicht gerade in Österreich auf Konzern-Austausch bei Römerquelle gewesen, flog später bei Coca Cola raus, und rächte sich mit der Anmeldung des Römers zur Bildmarke an ihrem früheren Arbeitgeber.)
Das Römerquelle-Logo als Blickfang eines chinesischen Kaffeehauses einzusetzen, ist eine typisch chinesische: europhallogeschichteblinde, geschmack- scham- & stillose Gestaltungsidee. Ich bin stellvertretend für den Westen dankbar dafür, dass Chinesen solche Irritationen abliefern. Es amüsiert und hält auf Trab.