30.12.2012

Ein Roman in Reality

Hier sieht man, dass der Regietheaterregisseur Calixto Bieito ein netter Mensch ist, der sich in den Gängen des Theaters verirrt, wo er Proben leitet, den Komponisten György Ligeti nicht kennt, sexuell gehemmt ist (weil er bei Jesuiten zur Schule ging), eine Frau und Kinder hat, sein Leben recht glücklich findet, keinen Philosophen an sich erkennt, und der sich um den Schriftsteller Michel Houellebecq, seinen Gesprächspartner, sorgt, der so schweigsam und zögerlich mit ihm »durch die Nacht« geht (und der eine einzige affirmative Antwort gibt, indem er zustimmt, dass Calixto Bieito kein Philosoph sei). Ein herrliches Gespräch, teilweise Woody-Allen-haft, der liebe spanische Theatermann sorgt sich um den ernsten, arroganten Franzosen, der durchaus eine Konversation führen möchte – nämlich erstens, als er einen berühmten Schauspieler fragt, welche Rolle er gerne aus den Houellebecqschen Romanen spielen möchte – der Schauspieler gab an er liebe die Houellebecqeschen Romane, vermag aber dann keine Antwort zu geben, die dieses Gespräch ins Rollen bringen könnte, vermutlich kennt er die Romane nicht einmal, hat sie zumindest zu wenig verinnerlicht –, und zweitens, auf derselben Bühne, als er demselben Schauspieler sagt, er solle Französisch sprechen können, was gewissermaßen eine Einladung, eine Verlockung, ein Angebot zu einem Gespräch ist, aber eben ein französisches.
Noch herrlicher wäre, von diesem Abend eine lapidare Beschreibung aus der Feder Houellebecqs zu erhalten, die Ähnlichkeit mit einer Passage aus einem Houellebecqschen Roman wäre verblüffend.
Also sieht man hier einen Houellebecqschen Roman, der Schriftsteller Houellebecq übersteigt die Grenzen von Schrift und Papier und stellt leibhaftig eine Szene aus einem Houellebecqschen Roman dar.