Hier sieht man, dass der Regietheaterregisseur Calixto Bieito ein netter Mensch ist, der sich in den Gängen des Theaters verirrt, wo er Proben leitet, den Komponisten György Ligeti nicht kennt, sexuell gehemmt ist (weil er bei Jesuiten zur Schule ging), eine Frau und Kinder hat, sein Leben recht glücklich findet, keinen Philosophen an sich erkennt, und der sich um den Schriftsteller Michel Houellebecq, seinen Gesprächspartner, sorgt, der so schweigsam und zögerlich mit ihm »durch die Nacht« geht (und der eine einzige affirmative Antwort gibt, indem er zustimmt, dass Calixto Bieito kein Philosoph sei). Ein herrliches Gespräch, teilweise Woody-Allen-haft, der liebe spanische Theatermann sorgt sich um den ernsten, arroganten Franzosen, der durchaus eine Konversation führen möchte – nämlich erstens, als er einen berühmten Schauspieler fragt, welche Rolle er gerne aus den Houellebecqschen Romanen spielen möchte – der Schauspieler gab an er liebe die Houellebecqeschen Romane, vermag aber dann keine Antwort zu geben, die dieses Gespräch ins Rollen bringen könnte, vermutlich kennt er die Romane nicht einmal, hat sie zumindest zu wenig verinnerlicht –, und zweitens, auf derselben Bühne, als er demselben Schauspieler sagt, er solle Französisch sprechen können, was gewissermaßen eine Einladung, eine Verlockung, ein Angebot zu einem Gespräch ist, aber eben ein französisches.
Noch herrlicher wäre, von diesem Abend eine lapidare Beschreibung aus der Feder Houellebecqs zu erhalten, die Ähnlichkeit mit einer Passage aus einem Houellebecqschen Roman wäre verblüffend.
Also sieht man hier einen Houellebecqschen Roman, der Schriftsteller Houellebecq übersteigt die Grenzen von Schrift und Papier und stellt leibhaftig eine Szene aus einem Houellebecqschen Roman dar.
30.12.2012
28.12.2012
Der Mund als Tor der Kommunikation
Rainald Goetz beschreibt seit seinem ersten Roman Irre immer wieder die Handlung des Sprechens losgelöst vom Sprecher. Zuletzt in Loslabern und Johann Holtrop verwendet er hierzu die Verben »An-« und »Zutexten«. Stoße ich gestern bei Robert Walser auf diesen Satz: »Da verwandelte sich auf einmal die [] Wohnung in den Laden jenes häßlich frisierten und geschminkten Zigarrenweibes, bei dem Joseph früher täglich auf einem Stuhl gesessen hatte, um Geschichten aus ihrem Mund anzuhören.« Oder Elektra, nachdem sie Rache für ihren ermordeten Vater Agamemnon phantasiert, in Tanzekstase gerät, und ihre störende Schwester anfaucht: »Was willst du? Rede, sprich, ergieße dich, dann geh und laß mich!«
Auf solche Art zu sprechen, den Sprecher von seinem Text zu spalten, ist sicher beim Pöbel etwas ganz noch Unerhörtes. Er hört hier und da einen Politiker an einem anderen Politiker »verbalen Durchfall« diagnostizieren, was aber – selbst oder gerade für den Pöbel – zu unseriös ist, eine zu gemeine, Deixsche Metaphorik, mit der man nicht an die richtige Stelle im Hirn appelliert, da das Gewissen, das Es, oder was auch immer, selbst beim schlimmsten Grobian einen Funken Anstand besitzen muss, daran muss man glauben, sonst verfällt man in die Lage, wo man glaubt, es habe alles keinen Sinn, und an diesen Anstand muss man sich richten, indem man z.B. sagt: »Stoppen Sie bitte die Wörter aus Ihrem Mund.«
Auf solche Art zu sprechen, den Sprecher von seinem Text zu spalten, ist sicher beim Pöbel etwas ganz noch Unerhörtes. Er hört hier und da einen Politiker an einem anderen Politiker »verbalen Durchfall« diagnostizieren, was aber – selbst oder gerade für den Pöbel – zu unseriös ist, eine zu gemeine, Deixsche Metaphorik, mit der man nicht an die richtige Stelle im Hirn appelliert, da das Gewissen, das Es, oder was auch immer, selbst beim schlimmsten Grobian einen Funken Anstand besitzen muss, daran muss man glauben, sonst verfällt man in die Lage, wo man glaubt, es habe alles keinen Sinn, und an diesen Anstand muss man sich richten, indem man z.B. sagt: »Stoppen Sie bitte die Wörter aus Ihrem Mund.«
15.12.2012
Geländer
Vor zwei wochen fuhr ich in der stadt henghe eine kleine fabrik suchen und kam dabei auf diese ungesicherte straße neben dem fluss. Die passage machte spaß, das autofahren kam mir zwar nicht abenteuerlich vor, aber ich musste mich konzentrieren, es war zumindest ein bisschen gefährlich.
05.12.2012
Update Giftzwergprosa
"Johann Holtrop" hab ich dann gelesen. Die Beschreibungen der Managertypen sind doch gelungen, weshalb die viele Kritik an Goetzens vermeintlicher "Kälte"? Ich meine Beschreibungen à la: Holtrop möchte eine Villa bei Nizza kaufen und kann, weil ers gewohnt ist, nichts als nörgeln. Es ist doch so. Bei anderen Gelegenheiten, Steve Jobs Tod, bewundert man das Nörgeln des Managers.
Wer wird Bürgermeisterin
Vor kurzem schlug Michael Bloomberg Hillary Clinton vor, sie möge Bürgermeisterin der Stadt New York werden. Sie lehnte ab. Das muss Christine Quinn geärgert haben, da sie sich als eigentliche Vorliebe Bloombergs für das Amt darstellt und nun ans Licht kommt: Bloomberg will Hillary. Ich würde Hillary auch bevorzugen, ich fand vor einigen Wochen die Fotostrecke aus Christine Quinns und deren Lebenspartnerin Wohnung so verstörend, ich sah ihr Nachtkästchen, ein viel zu intimer Einblick. Bloomberg in seinem Wohnzimmer in seinem Stadthaus sitzend mit offiziös wirkenden Sitzmöbeln ganz was Anderes als dieses farbige Nachtkästchen.
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