11.08.2011
Mythologie der Scheiße
1. Vorwort
2. Der Mahnkacker
1.
Es wird soo viel über die Analversessenheit »der Deutschen« geredet! In Vanity Fair ein grandioses Geschwafel zum deutschen Verhalten in der Schuldenkrise: erfreut dem Dreck zusehen, aber unbefleckt. Der Linguist Hans Martin Gauger erforscht das deutsche Schimpfen: exkrementell statt sexuell. Und Charlotte Roche legt ihren neuen Roman mit einer Stelle über Stuhlwürmer vor, mit der sie zeigt, dass »sie sich im Analthema weiterhin von niemandem etwas vormachen lassen will.«
Was ich gut finde! Man flüchtet sich manchmal gerne hinter die Klischees seines Volkes. Nach der Logik: Deutsche »gründlich« – ungründlicher Deutscher möchte auch so sein und bezeichnet sich eifriger als Deutscher, als er müsste.
Klischees sind Charakterisierungen der witzigsten oder übelsten Typen eines Landes. Die Analversessenheit der Deutschen könnte man als Facette ihres über scheinbar uninteressante Dinge produktiv brütendes Wesen sehen, das die interessanten Bücher Kants, Schellings, Fichtes hervorgebracht hat (und Heideggers).
Daher, aus Traditionsbewusstsein, mache ich mich für das Analklischee stark, und freue mich diebisch über die kräftigen Lebenszeichen des deutschen Scheißeweltgeistes. Wir sitzen auf einem Alleinstellungsmerkmal und werden doch nicht leichtfertig drauf scheißen.
Denn nationale Klischeedenkfiguren haben es heutzutage immer schwerer, sich unter der irrwitzigen Neustruktierung, dem Hyper-Perspektivismus der Algorhitmen und der vorherrschenden Dekonstrukion allgemeiner Aussagen in Kommentaren und Foren als Mainstreampositionen zu behaupten.
Irgendwann kommen sie dann in Form einer kompensierenden Überanstrengung zu Tage. Slavoj Zizek hat einmal gesagt (in der Weltwoche), dass das Zusammenleben der Völker im ehemaligen Jugoslawien so lange funktioniert hat, wie sie einander in derben Witzen verarschten.
Lang leben Völkerklischees, lang lebe Verarschung! Ich rufe Frau Roche ein lautes »Bravo!« zu (und gratuliere ihr zu ihrer »Entpuppung als großartige Autorin«, wie es in der taz heißt), und stelle einen kleinen Beitrag aus meinem geheimen Ekeljournal, »Grindige Einfälle«, der weltweiten Gemeinschaft der an »Deutschem« Interessierten zur Verfügung.
2.
In Berlin suchte man des liegen gelassenen Hundekots auf den Straßen Herr zu werden und schrieb einen Wettbewerb für Hundehalter-Erziehungsplakate aus. Aus den Einsendungen zu demselben konnte allerdings eine zerstrittene Jury keinen klaren Sieger hervorloben, und sich nur auf die Affichierung einer harmlosen Moralplatitüde einigen. Aber diese wirkte nicht – und der Kot blieb liegen.
Ein redlicher Citoyen war darüber dergestalt in seiner Hoffnung an die Besserung seiner Mitmenschen enttäuscht, dass er, eines Nachmittags, sich aufmachte, einen Hundehälter zu disziplinieren.
Als er nach einer Stunde eifrigen Herumgehens und -spähens eine 50-jährige, silberne Ohrringe und Halsketten tragende Frau sah, die ihren Beagle sich entledigen ließ, aber keine Anstalten machte, den Abfall zu entsorgen, und sich in Richtung des erbosten Rächers bewegte, und, aber ohne Scham, an ihm vorbeizugehen vorhatte, öffnete dieser seine Hose, kniete nieder, und schiss zwei Knödel ab, gefolgt von einem kleinen Würstchen, das er diesen wie ein Spitzhäubchen aufzusetzen durch eine kreisende Bewegung seiner Hüften vermögend war. – Dies sprach sich herum, und nach einigen Tagen verzeichnete das Statistikamt der Stadt eine geringere Kotbelastung auf den Straßen.
(– aus hündischem Ursprung; jene der Menschen war gestiegen, da sich »fanatische Anhänger eingefunden hatten«.)