Wien ist ein Taschenmesser. Hongkong ist ein Buschmesser. Prato ist eine Schneiderschere. Lenzing ist ein Holzhäcksler.
23.08.2011
16.08.2011
Reindustrialisierung Europas
Wär doch schön. Billige Arbeitskräfte genügend vorhanden, z.B. aus Spanien und Großbritannien. Man muss die Spanier nur in Mittagspausen Joga machen lassen, in den Fabriken laut Musik aufdrehen, abends Livebands, kostenlose Wohnungen.
11.08.2011
Mythologie der Scheiße
1. Vorwort
2. Der Mahnkacker
1.
Es wird soo viel über die Analversessenheit »der Deutschen« geredet! In Vanity Fair ein grandioses Geschwafel zum deutschen Verhalten in der Schuldenkrise: erfreut dem Dreck zusehen, aber unbefleckt. Der Linguist Hans Martin Gauger erforscht das deutsche Schimpfen: exkrementell statt sexuell. Und Charlotte Roche legt ihren neuen Roman mit einer Stelle über Stuhlwürmer vor, mit der sie zeigt, dass »sie sich im Analthema weiterhin von niemandem etwas vormachen lassen will.«
Was ich gut finde! Man flüchtet sich manchmal gerne hinter die Klischees seines Volkes. Nach der Logik: Deutsche »gründlich« – ungründlicher Deutscher möchte auch so sein und bezeichnet sich eifriger als Deutscher, als er müsste.
Klischees sind Charakterisierungen der witzigsten oder übelsten Typen eines Landes. Die Analversessenheit der Deutschen könnte man als Facette ihres über scheinbar uninteressante Dinge produktiv brütendes Wesen sehen, das die interessanten Bücher Kants, Schellings, Fichtes hervorgebracht hat (und Heideggers).
Daher, aus Traditionsbewusstsein, mache ich mich für das Analklischee stark, und freue mich diebisch über die kräftigen Lebenszeichen des deutschen Scheißeweltgeistes. Wir sitzen auf einem Alleinstellungsmerkmal und werden doch nicht leichtfertig drauf scheißen.
Denn nationale Klischeedenkfiguren haben es heutzutage immer schwerer, sich unter der irrwitzigen Neustruktierung, dem Hyper-Perspektivismus der Algorhitmen und der vorherrschenden Dekonstrukion allgemeiner Aussagen in Kommentaren und Foren als Mainstreampositionen zu behaupten.
Irgendwann kommen sie dann in Form einer kompensierenden Überanstrengung zu Tage. Slavoj Zizek hat einmal gesagt (in der Weltwoche), dass das Zusammenleben der Völker im ehemaligen Jugoslawien so lange funktioniert hat, wie sie einander in derben Witzen verarschten.
Lang leben Völkerklischees, lang lebe Verarschung! Ich rufe Frau Roche ein lautes »Bravo!« zu (und gratuliere ihr zu ihrer »Entpuppung als großartige Autorin«, wie es in der taz heißt), und stelle einen kleinen Beitrag aus meinem geheimen Ekeljournal, »Grindige Einfälle«, der weltweiten Gemeinschaft der an »Deutschem« Interessierten zur Verfügung.
2.
In Berlin suchte man des liegen gelassenen Hundekots auf den Straßen Herr zu werden und schrieb einen Wettbewerb für Hundehalter-Erziehungsplakate aus. Aus den Einsendungen zu demselben konnte allerdings eine zerstrittene Jury keinen klaren Sieger hervorloben, und sich nur auf die Affichierung einer harmlosen Moralplatitüde einigen. Aber diese wirkte nicht – und der Kot blieb liegen.
Ein redlicher Citoyen war darüber dergestalt in seiner Hoffnung an die Besserung seiner Mitmenschen enttäuscht, dass er, eines Nachmittags, sich aufmachte, einen Hundehälter zu disziplinieren.
Als er nach einer Stunde eifrigen Herumgehens und -spähens eine 50-jährige, silberne Ohrringe und Halsketten tragende Frau sah, die ihren Beagle sich entledigen ließ, aber keine Anstalten machte, den Abfall zu entsorgen, und sich in Richtung des erbosten Rächers bewegte, und, aber ohne Scham, an ihm vorbeizugehen vorhatte, öffnete dieser seine Hose, kniete nieder, und schiss zwei Knödel ab, gefolgt von einem kleinen Würstchen, das er diesen wie ein Spitzhäubchen aufzusetzen durch eine kreisende Bewegung seiner Hüften vermögend war. – Dies sprach sich herum, und nach einigen Tagen verzeichnete das Statistikamt der Stadt eine geringere Kotbelastung auf den Straßen.
(– aus hündischem Ursprung; jene der Menschen war gestiegen, da sich »fanatische Anhänger eingefunden hatten«.)
10.08.2011
Radeln, gehen, Ubahn fahren
»I was physically and metaphorically in the dark about what was happening above ground.«
Nette Lebenserfahrungsgeschichte aus Peking. Bonuspunkte für die Vermeidung des Wortes »literally« in zitiertem Satz.
Nette Lebenserfahrungsgeschichte aus Peking. Bonuspunkte für die Vermeidung des Wortes »literally« in zitiertem Satz.
09.08.2011
China als hot pot
Ich wette dagegen, dass ein großer Teil der Chinesen bald gut englisch sprechen können wird. In absoluten Zahlen werden es zwar Viele sein und man wird in immer mehr Städten immer problemloser vorankommen. Aber »der durchschnittliche Chinese«, analog zum bisherigen Klischee vom durchschnittlichen, fetten Amerikaner gedacht, wird sich ein gutes Englisch ersparen können.
Einer der Gründe hierfür könnte sein: China entwickelt sich zum »melting pot« unseres Jahrhunderts (zweites Klischee!) und zieht, nach dreißig Jahren heftiger Kapitalinvestitionen, Schwärme von Ausländern an.
Ich verfüge natürlich nur über Zeitungs- und anekdotisches Wissen zu diesem Thema. Das Zeitungswissen wäre auf einen Artikel Evan Osnos' im New Yorker über eine riesige afrikanische Community irgendwo in Südchina sowie auf gelegentliche Erwähnungen der »huge expat community in China« zurückzuführen; das anekdotische mehrt sich Woche für Woche, wenn ich hier in Nanjing wieder einen Amerikaner kennen lerne, der mir erklärt, man könne in den Staaten kein Geld mehr maken. Oder die amerikanisch-mexikanische Studentin Brenda, die neulich in tiefer Melancholie zurück ins beschauliche Colorado geflogen ist (das sie »satt« habe), nachdem sie ein Jahr lang in einem Kindergarten Englisch unterrichtet hatte.
Der Unterschied zum amerikanischen melting pot wäre der höhere Schmelzpunkt. Das Erlernen der Sprache ist schwieriger, man kann aber nicht, wie ein mittelmäßig sprechender Latino in den USA, auf halbem Wege stehen bleiben. Die vielen Chinesischlerner, die es nicht »bis zum bitteren Ende«, bis zum »chinesisch werden« schaffen, werden Fremde bleiben. Übrigens: melting pot ist der falsche Begriff, sagen wir »hot pot«.
Die Fremden werden irgendwann einmal wieder heftigen chinesischen Ressentiments ausgesetzt sein. Zu heiß wird es im hot pot nicht, aber vollgestopft mit zu vielen Zutaten. Die nächste Wette ist dann, ob sprachlich integrierte Ausländer ebenfalls betroffen sein werden oder ob die Mehrheitschinesen, das Han-Volk, rassistisch vorgehen und auch diese vor den Kopf stoßen werden.
Ich verfüge natürlich nur über Zeitungs- und anekdotisches Wissen zu diesem Thema. Das Zeitungswissen wäre auf einen Artikel Evan Osnos' im New Yorker über eine riesige afrikanische Community irgendwo in Südchina sowie auf gelegentliche Erwähnungen der »huge expat community in China« zurückzuführen; das anekdotische mehrt sich Woche für Woche, wenn ich hier in Nanjing wieder einen Amerikaner kennen lerne, der mir erklärt, man könne in den Staaten kein Geld mehr maken. Oder die amerikanisch-mexikanische Studentin Brenda, die neulich in tiefer Melancholie zurück ins beschauliche Colorado geflogen ist (das sie »satt« habe), nachdem sie ein Jahr lang in einem Kindergarten Englisch unterrichtet hatte.
Der Unterschied zum amerikanischen melting pot wäre der höhere Schmelzpunkt. Das Erlernen der Sprache ist schwieriger, man kann aber nicht, wie ein mittelmäßig sprechender Latino in den USA, auf halbem Wege stehen bleiben. Die vielen Chinesischlerner, die es nicht »bis zum bitteren Ende«, bis zum »chinesisch werden« schaffen, werden Fremde bleiben. Übrigens: melting pot ist der falsche Begriff, sagen wir »hot pot«.
Die Fremden werden irgendwann einmal wieder heftigen chinesischen Ressentiments ausgesetzt sein. Zu heiß wird es im hot pot nicht, aber vollgestopft mit zu vielen Zutaten. Die nächste Wette ist dann, ob sprachlich integrierte Ausländer ebenfalls betroffen sein werden oder ob die Mehrheitschinesen, das Han-Volk, rassistisch vorgehen und auch diese vor den Kopf stoßen werden.
02.08.2011
»Pittoreskes Touristenlabsal«
– das ist Österreich. Jede Erinnerung an die neben Preußen einzige frühere deutsche Großmacht ist in diesem kleinen Land erloschen. Und in Deutschland sind Machtausübung und Wählerstimmung weiter von (»radikalem«!) Pazifismus und Provinzialismus geprägt (Ausnahme Thomas de Maizière) – da man nie über ein Empire verfügte und sich, anders als die Engländer, nicht im parlamentarischen Regieren eines weltumspannenden Netzes üben konnte und man statt Weltmannswesen wie die Briten zu entwickeln bis heute das Erbe von Kants Moralphilosophie pflegt –
siehe neuen Essay Karl Heinz Bohrers, hier ins Englische übersetzt.
siehe neuen Essay Karl Heinz Bohrers, hier ins Englische übersetzt.
01.08.2011
Verborgenes Denken
Hier behauptet wer, dass die allgegenwärtig gewordene Knopfdruck-Zustimmung (like, +1 etc.) zu mehr Konformismus führe. Man versuche nicht, eigenständig Gedachtes auszudrücken, sondern zustimmungswürdige Häppchen zu liefern, deren einziges Bewertungskriterium die Liebenswürdigkeit ist, quantifiziert durch erhobene Daumen. Wer für ein Posting kein Lob erntet, werde so blamiert wie ein Witzerzähler ohne Lacher.
Ein interessanter Beitrag für eine Sammlung phänomenologischer Befunde zum Silikonzeitalter. Hans Ulrich Gumbrecht hat neulich geschrieben, dieses zeichne sich durch ein körperloses Denken aus, das rein spirituell bestehe und beliebig abrufbar ist, anstatt an die Zeiten von Körpern und Räumen gebunden zu sein und, füge ich spekulierend hinzu, sich auf einmal, unerwartet, irgendwo (an einem »wirklichen« Ort), rein aus einem Hirn heraus statt zusammenkuratiert, entfalten könnte.
Man muss sich nicht mehr ausdrücken. Was man während eines Knopfdrucks denkt, bleibt im Hirn des Zustimmers verborgen; der Vorgang der Überlegung wird nicht beschrieben; es gibt keine verschiedene Ausdrucksarten mehr – wie z.B. »eine flammende Rede für...«, »ein nüchternes Plädoyer...«, »ein arger Verriss«. Alles Meinen ist auf sein Urteil reduziert, auf positiv oder negativ.
Obiger Artikel verweist auf nichts anderes als die Möglichkeit, dass uns hier vielleicht Einiges aus dem Zwischendrin verlorengeht, das doch auch ganz interessant oder wichtig sein könnte.
Denn zwischen Ja und Nein gibt es keine Ausdrucksvielfalt. Das + und der erhobene Daumen, das erigierte Glied in einem sozialen Netzwerk von Swingern (wäre ja möglich): alles nur »Ja«, alles nur die Endergebnisse gedanklicher Prozesse, ohne Verkörperung der Herleitung. Visualisierte Systemtheorie.
Der »Blitz« Heraklits ereignet sich nicht, Alles bleibt bits. Vielleicht singt deshalb Andreas Spechtl: »Diese Welt ist eine schrecklich dunkle Welt.«
Man muss halt wie immer die Betrachtung ändern, und schon werden Blitze sichtbar. Kathrin Passig hat neulich sehr lehrreich beschrieben, worauf es ankommt, damit in den Kommentarbereichen von Websites Denken passieren kann: Organisation, Moderation, Erziehung.
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