27.06.2013

Lebensmaschinen

Im Dunkeln, eingehüllt vom Regen draußen, gingen die Arbeiter der TD-Fabrik stoisch ihren Dreh-, Press-, Plombierungs- und Schleifarbeiten nach heute. Ich verachtete ihre Sturheit und die spartanische Pseudocoolheit ihres Chefs, der von den Lichtforschungen des Betriebsökonomen Taylor aus den 1920ern natürlich nie etwas gehört hat oder solche Erkenntnisse mit dem Einwand wegwischt, das sei eine westliche Errungenschaft bzw. er stehe unter Kostendruck.
Es erinnert mich aber auch an meinen Großvater, der seit Jahrzehnten mit derselben Bandsäge Bretter und Sparren herstellt. Zum Schärfen der Sägeblätter misst er die Zähne mit einer analogen Schiebelehre unter dem kargen wärmlichen Licht einer Tischlampe. Er hat sich dem Fortschritt in seiner Branche jahrzehntelang versagt. Er hat keinen Nachfolger, da sein einziger männlicher Nachkomme als Säugling gestorben ist und er keine seiner vier Töchter für wert oder tauglich befunden hätte, es werden zu können. Mit 86 Jahren schneidet er nach Lust und Laune, der Nachfrage seines kleinen Marktes nach, das wenige Holz, das er aus seinem Walde schlägt.
Wenn einst in großem Maß die 3D-Drucker laufen, wird in China irgendwo ein alter Mann Späne von Plastikrollen oder Stahlrohren drehen. Sein Leben läuft synchron zu dem seiner Maschine, für die er keine Abschreibzeit von vier, zehn oder zwanzig Jahren kennt.

26.06.2013

Made in Portugal

Ich möchte melden, dass ich im Juni 2012 Schuhe der Marke Levi's gekauft habe, die nach Etikettenangabe in Portugal produziert worden sind und deren Nähte an keiner Stelle, nach häufigem Tragen, aufgerissen sind. Ich empfehle das präpatinierte Produkt (weiße Sohle künstlich »ölverschmiert«) jedem Schuhkäufer, der das kommende Gefühl des Kulturpatriotismus in sich trägt. Das Humanic Schuhgeschäft auf der Wiener Mariahilferstraße führt das Modell noch.
Der in China produzierte Schuh der Marke Boss Orange, den ich etwas zuvor gekauft hatte, ist nach ebenso häufigem Tragen hinten irreparabel aufgerissen.
Technische Analyse und Fotos folgen. Hier vorerst ein Foto vom Levi's Schuh nach Kauf Juni 2012.

25.06.2013

Unnützes Querdenken

Bei Sloterdijk hatte ich über den Preis des besten Bürgerhassers unter den Literaten gelesen, der jedes Jahr in Frankreich vergeben werde; Rousseausches Antiressentiment werde weiter belohnt. Zwei Tage später saß ich im Auto und fuhr die Vorgesetzte, die bemerkte, ihr fallen an den chinesischen Autos gar nicht so viele Schrammen auf, wie sie vermutet hätte. In Frankreich haben die Autos mehr Dellen aufzuweisen.
Ich war geneigt, auf Sloterdijk zu verweisen: „Ja die Franzosen pfeifen auf ein piekfeines Auto! Eine unreparierte, uncared-for Delle im Auto ist das Antiressentiment des Kleinbürgers in Frankreich, das hat Tradition!“