12.02.2018

Gitarrenmusik soll sich bemühen



Zum neuen Album der Band Franz Ferdinand, Always Ascending, meinte Thomas Kramar in der Presse, diese Gitarrenmusik könne nur mehr so und nie mehr wirklich neu klingen. Ich finde, sie könnte etwas mehr Mühe aufbringen, Musikkritikern auszutricksen und etwas innovativer zu klingen und die Illusion einer innovativen Gitarrenmusik aufrechtzuerhalten.
1. Die abgedroschenen Versatzstücke weglassen. Die muss man wie Küchenabfall behandeln, einzig auf dem Kompost haben diese typischen Rhythmen und Gitarrensolomanierismen noch einen Zweck. Also ab in die Creative Commons als Materila für Werbung, TV-Beiträge usf.
2. Aber durchaus aus dem Schnöden die guten Momente lösen und als Sekundenstücke herausgeben.
3. Andere Grundelemente mehr über das Album ausbreiten: das stumpfe Schlagzeug öfter oder immer einsetzen. Das Saxophon öfter.
4. Weglassen – und doch mehr Material her! Maximo Park ist da großzügig, indem sie unserer Welt Coverlieder schenkt. Radiohead ist ebenfalls eine sehr befriedigene Coverband, Thom York als Interpret im Nachahmen berühmter Rockstimmen hat da schon eine Interpretationstradition begründet.
Erschöpfende Liste meiner Kommentare und Produktionsvorschläge zu den den einzelnen Songs:
1. Always Ascending: super Anfang, David Bowie Klang. Statt der Gitarre beim Vor-Refrain vielleicht schon das Saxophon her? Choral super. Gitarre beim Hauptrefrain gut, beim Nachrefrain nervig, Nachrefrain überhaupt weglassen. Die Variation am Ende ist super! Mir fällt dazu ein: Raindrops and Sunshowers von den Smashing Pumpkins!! Schlagzeugschema ersetzen durch den Rhythmus aus dem Lied [].
2. Lazy Boy: super: verträgt aber noch mehr Radiohead-Gegenpercussion. Gitarrensolo weglassen. Vielleicht überhaupt erst beim Refrain die Gitarre einsetzen lassen. Solo nach Refrain weglassen.
3. Paper Cages: Saxophon/Gitarre/Schlagzeug siehe obige Vorschläge. Dazumischen: Klang von ca. 13 cm langen Steinen, die aufeinander geschlagen werden. Hat McCarthy vielleicht damals aus dem Bach welche mitgenommen. Letzten Refrain weg, viel zu redundant.
Wir erinnern uns an den Paratext zum zweiten Album You Could Have it So Much Better: dass die Band, und zwar nicht nach dem Strophe-Refrain-Schema, Songs entwickeln wollte. Das Prinzip kommt in diesem Album nicht zur Entfaltung, das Einstreuen der sehr bandtypischen Gitarrensoli (Kramar: „…“) wirkt unmotiviert. Paper Cages wäre von solcher Altlast befreit zwar kein Spitzensong, aber wenigstens kurz und knackig.
4. Finally: solider Song.
5. The Academy Award: solides Franz Ferdinand Stück der Walk Away-Art, gefällt mir, weiß nicht, weshalb ich gerade dieses nicht weglassen würde aber den Gitarrengezupfrock schon. Übrigens der einzige Text den ich erwähnenswert finde, sonst sind mir die Texte eher egal bzw. wird in den Musikjournalen eh immer zu viel darüber geschrieben (auch Kramar).
6. Lois Lane: super, vor allem das Einsetzen des Basses und die Entwicklung des Refrains (die zweite Stimme beim dritten Einsetzen des Refrains).
7. Huck and Jim: der breite Stromsound zumindest am Anfang gut. Das aufbauende Thema vor dem Refrain spannend und frisch.
8. Glimpse of Love: Gut dass sie in Minute zwei einen anderen Schlagzeugrhythmus finden: sollten sie unbedingt anderswo einsetzen. Alles andere auf den Kompost.
9. Feel the Love Go: auch schwach. Sekundenstück ab 2:14 herausfiletieren. Hier kommt eben das Saxophon vor, das in den anderen Liedern öfters begleiten und Akzente setzen sollte. Faaad. So wie Jenji Kohan Staffel V von Orange Is the New Black als fan fiction kritisierte, ist dieses Lied eine schlechte fan music.
10. Slow Don’t…: Hier kommt eben das wunderbare abgehängte Schlagzeug vor, das sie für andere Lieder dieses Albums hoffentlich zumindest probiert und hoffentlich mit gutem Grund nicht öfter verwendeten. Refrain gut. Zweiter Refrain … Steigerung zu Muse!! Super. Steigerung des Refrains: Fortsteigerung der Museigkeit! Dann kommt dieses Fiepsen … erinnert mich ans Adore-Album der Smashing Pumpkins. Dann setzt eine Gitarre à la The Edge im Outro ein: das ist dieser wiederkehrende Joshua Tree Sound, der uns Ende der 1990er versprochen wurde! Sehr interessantes Lied, das eine weitere, bereits angedeutete Möglichkeit der von Kramar totgesagten Gitarrenmusik darstellt: Musikamt, Tradition, Interpretation, Zusammenspiel bekannter Sounds.